„Ich sage eben was ich (von dir) halte!“ – Warum ehrliche Meinung für mich anders geht
„Ich will nur ehrlich sein.“
„Ich sage eben, was ich denke.“
„Ich mache doch aus meinem Herzen keine Mördergrube!“
„Man wird doch wohl noch seine Meinung sagen dürfen!“
Kennt ihr vielleicht?
Unsere Kolunmistin mindfulsun sagt – und schreibt:
Ich auch… Ähnliches habe ich früher auch gesagt und dann folgte:
Ich sagte anderen Menschen, was ich über sie denke und was ich von ihnen halte. Verbunden mit eigenen: Analysen, Interpretationen, Bewertungen, Beurteilungen, Unverständnis, Schuldzuweisungen, Vorwürfen. Ich war mir dessen nicht bewusst!
Nachdem ich dann den anderen ordentlich verbal gebügelt hatte (meine Meinung und Kritik aus mir raus schleuderte), erwartete ich tatsächlich oft, dass der andere dafür Verständnis hat, sich dann so verhält, wie ich es erwarte oder meinen Standpunkt als seinen übernimmt.
„Du bist respektlos.“
„Du musst mal lernen, richtig zuzuhören.“
„Mit dir kann man überhaupt nicht reden.“
Auch Sätze, dich ich – im Zusammenhang mit Meinung und Kritik ausdrücken – gehört und gelesen habe. Ich habe sie möglicherweise in der Art auch verwendet, früher.
Wer das hört, geht in eine Verteidigungshaltung, zum Gegenangriff über oder schweigt. Der Möglichkeiten gibt es einige. Zustimmung, verbindende Kommunikation, aufeinander zugehen und Verständnis sind wohl kaum welche davon.
Besonders fällt mir das auf Social Media auf:
„Das ist doch Schwachsinn, was du da laberst.“
Na, schon mal gelesen oder geschrieben? Wie fühlt sich das an?
Ich denke, ich habe jetzt genug Beispiele aufgeführt.
Was ist denn eigentlich diese „Kritik“ und dieses „Ich sag dir jetzt mal meine Meinung?“
Vielmals ist es doch etwas, was ich fühle, wenn jemand etwas tut oder sagt. Und ich möchte es der anderen Person mitteilen.
Es ist manchmal nicht einfach, dass so zu formulieren. Denn hier mache ich mich vielleicht verletzlich. Viel einfacher war es für mich, auszuteilen und andere auf ihr Verhalten hinzuweisen. Erst die Fähigkeit zur radikalen Selbstreflexion hat es mir ermöglicht, den Fokus auf mich zu legen. Und die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) hilft mir dabei, das auch auszudrücken. Sie ist Teil meines Lebens geworden.
Ich stelle mir das so vor: Kontrollleuchten im Auto. Wenn jemand etwas sagt oder tut, leuchtet bei mir etwas auf. Das liegt an mir!
Diese Leuchten zeigen an, in mir gibt es unerfüllte Bedürfnisse und was ich fühle. Warum also auf die Kontrollleuchten schlagen – nichts anderes waren meine verbalen Attacken in Du-Form – wenn es doch viel dringender ist, zu sehen, was in mir so vor sich geht?
Heute gehe ich folgende Schritte durch:
1. Auf was reagiere ich jetzt konkret? Was hat dieser Mensch genau gesagt oder getan?
2. Was löst das in mir aus? Was fühle ich, wenn ich das höre oder sehe?
3. Welche Bedürfnisse stecken hinter meinen Gefühlen?
4. Was wünsche ich mir von der anderen Person? Worum möchte ich die andere Person bitten?
Und erst dann, reagiere ich. Beispiel vom Anfang meines Artikels:
„Du musst mal lernen, richtig zuzuhören.“
Möglich wäre hier:
1. Mein Gesprächspartner ist nicht auf meinen Standpunkt eingegangen.
2. Ich bin vielleicht ärgerlich und frustriert.
3. Ich möchte in einem verständnisvollen und wertschätzenden Austausch mit dieser Person sein.
4. Und genau das kann ich dann zusammenfassen:
„Ich bin frustriert, weil du ein Gegenargument gebracht hast, ohne auf meinen Standpunkt einzugehen. Ich wünsche mir, in einem verbindenden Austausch mit dir zu sein.
Kannst du bitte wiederholen, was du von mir verstanden hast? Wäre das ok für dich?“
Das ist natürlich ein Beispiel, hier kann jeder formulieren, wie ihm der Schnabel gewachsen ist!
Anstatt also die „Du-Form“ zu nutzen, um dem anderen „ehrlich meine Meinung über ihn mitzuteilen“, bleibe ich bei mir und sage, was ich fühle und was ich mir wünsche.
Für mich hat Ehrlichkeit auch etwas mit Rücksicht zu tun, mit Wertschätzung und Respekt.
Und in einem Miteinander ist mir eine achtsame Kommunikation mittlerweile sehr wichtig geworden.
Vielleicht wird der eine oder andere jetzt denken: „Darf ich denn nicht mehr sagen, was ich denke?“
Auch ich habe mir diese Frage irgendwann gestellt: Gedanken sind oft ein Produkt meiner Erfahrungen, Beurteilungen, Bewertungen. Was ich fühle und brauche, das ist in diesem Moment wichtig.
Was ist gerade in mir lebendig, wenn ich sehe oder höre, was der andere sagt und tut? In diesem Bewusstsein kommuniziere ich dann.
Es ist nicht einfach, aus dieser Prägung herauszukommen! Schon alleine achtsam dafür zu sein, ist für mich wertvoll.
Wie ist das bei euch? Achtet ihr darauf?
Eure mindfulsun
(Anmerkung Béa: Wir haben die Titelbildidee bei https://www.empathiceurope.com/ erheischt und uns davon inspirieren lassen, aber jetzt wissen wir auch nicht mehr genau wo dort.)
- 04. Jul 2020
- Keine Kommentare
- 6
- Bauchgefühl, Feedback, Gedanken, Gefühle, Kommentare, Kritik, social media, Wut, Wütend