Kathrin von Nestling.org zum liebevollen Elternsein inkl. Tragen, Stillen und Schlaflernprogrammen


Nachdem Kathrin auf mich zugekommen ist, habe ich lange auf Nestling.org gestöbert. Ich habe vieles gefunden, wo ich mich selbst bestätigt fühlte, ganz besonders das Thema Schlafen. Ich habe auch einiges gefunden, was ich anders gemacht habe (z.B. Langzeitstillen).

Insgesamt finde ich Kathrins Ansichten gut und wertvoll zu lesen, weil sie aus der eigenen Erfahrung berichtet und auch Empfehlungen gibt, ohne das andere zu verurteilen. Und ich freue mich sehr, dass Kathrin sich bereit erklärt hat, hier einige tiefergehendere Fragen zu beantworten:

Liebe Kathrin, stelle dich bitte kurz vor: Wer bist du und was hat dich vor deinem Kind interessiert? Was interessiert dich jetzt am meisten?

Ich heiße Kathrin und bin 34 Jahre. Vor Samara erkundete ich die weite Welt – arbeitete beispielsweise ein Jahr in Australien und studierte in Großbritannien. Kurz vor Fertigstellung meiner Masterarbeit (2010) hat sich unsere Tochter Samara unbemerkt bei mir eingenistet. Dieser Zufallstreffer hat mein „früheres Leben“ gehörig durcheinander geworfen.

Die Monate bis zur Geburt arbeitete ich noch freiberuflich, aber seit wir zu dritt sind, habe ich den Fokus auf Kind, Familie und meinen Blog Nestling.org gerichtet. Hier versuche ich anderen Müttern zu helfen, sie zu ermutigen, ihnen Kraft und Hoffnung zu geben. Ich befürworte eine kindesorientierte und liebevolle Erziehung und zeige wie sie sich in unserer schnelllebigen, hochentwickelten und leistungsorientierten Gesellschaft umsetzen lässt.

2. Du hast deine Tochter lange und viel mit dir herum getragen, gestillt. Warum? Mit welchen Vorurteilen hast du gekämpft? 

Weil wir gemerkt haben, dass es ihr gut tut, dass sie sich so am besten beruhigen lässt – dass sie es braucht. Im ersten Jahr schlief sie tagsüber am liebsten im Tragetuch. So gingen Thomas und ich abwechselnd mit ihr an der frischen Luft spazieren und zwar täglich. Mit ca. 15 Monaten schlief sie dann mittags problemlos im Familienbett ein.

Dass ich Samara heute noch – kurz vor ihrem dritten Geburtstag – stille, war nie von mir geplant. Mit sechs Monaten bekam sie Brei, aber sie mochte lieber Fingerfood (siehe „Baby-led Weaning“) und trank weiterhin regelmäßig meine Milch. Aus ihr ist zwar ein guter Esser geworden, aber an der Brust trinkt sie nach wie vor gerne – vor allem zum Einschlafen. Da ich mir wünsche, dass unsere Stillzeit friedlich zu Ende geht, darf sie noch stillen, bis sie oder ich nicht mehr will.

Was die Vorurteile anbelangt, befürchtete ich lange Zeit, dass Samara durch das intensive Tragen und Stillen zu einem verwöhnten und unselbständigen Mami-Mädchen mutiert. Immerhin hält sich dieses Gerücht hartnäckig in unserer Gesellschaft und übt großen Druck auf Mütter wie mich aus. Samara war in den ersten 18 Monaten sehr anhänglich und auf mich fixiert, was meine Bedenken zunächst verstärkte. Doch heute ist sie ein selbstbewusstes und selbständiges 3-jähriges Mädchen – der lebende Beweis, dass die Befürchtungen unbegründet sind.

3. Schlaf ist ein ganz großes Thema für Eltern. Oft klappt es nicht. Was sind in aller Kürze deine wichtigsten Ratschläge? 

Die Frage ist, was klappt nicht? Babys schlafen so wie die Natur es vorgesehen hat: Sie wachen nachts häufig auf, weil sie hungrig sind und sich vergewissern wollen, dass Mama und Papa noch da sind (siehe „Warum Babys nicht durchschlafen“). Wenn sie sich sicher und geborgen fühlen, schlafen sie wieder ein. Manchmal ist dafür ganzer Körpereinsatz gefragt, beispielsweise durch Stillen, Tragen oder Streicheln.

Das kollidiert allerdings mit unserer gesellschaftlichen Erwartungshaltung. Wir verlangen bereits von sehr kleinen Babys, dass sie alleine ein- und durchschlafen. Aus Angst vor dem Verwöhnen, verwehren wir ihnen die körperliche Nähe, die sie seit Jahrtausenden zum unkomplizierten Einschlafen brauchen. Wir bieten ihnen Ersatzberuhigungsmittel (Schnuller, Schmusetuch u.ä.) statt Körperkontakt und wundern uns dann, warum „es nicht klappt“.

Wer möchte, dass sein Baby ruhig schläft, sollte versuchen sein tiefes Bedürfnis nach Nähe und Schutz zu stillen. Wie das im Einzelnen aussieht, muss jede Familie für sich herausfinden. Manche Babys schlafen ruhiger im eigenen Bett und es reicht, wenn sie ab und zu Mamas Hand spüren und ihre Stimme hören. Andere beruhigen sich nur im Familienbett, auf dem Arm oder an der Brust.

Außerdem ist es wichtig zu wissen, dass diverse entwicklungsbedingte Umstände (wie das Zahnen und Wachstumsschübe) dafür sorgen, dass Babys zumindest phasenweise schlecht(er) schlafen. Und grundsätzlich ist es natürlich empfehlenswert für eine ruhige, entspannte Einschlafsituation zu sorgen – dazu gehört auch, sich selbst runter zu fahren. Denn wenn ich gedanklich die Wäsche bügele, das Essen koche und das Bad putze, wird sich diese innere Unruhe auch auf mein Kind übertragen.

4. Schlaflernprogramme – was hältst du davon? 

Ich bin kein Freund davon, Babys schreien zu lassen, damit sie das selbständige Ein- und Durchschlafen erlernen. Erstens gibt es keine Erfolgsgarantie für diese Methode und zweitens schaffen unsere Kinder das irgendwann von ganz alleine und zwar entsprechend ihrer Entwicklung, wenn wir ihnen genug Zeit dafür einräumen (siehe Schlaflernprogramme – Ein Blick hinter die Schreikulisse).

Es ist, wie bereits gesagt, weder unnormal noch schädlich, wenn Kinder nachts aufwachen. Es ist allenfalls anstrengend, weil wir selbst dabei nicht genug Schlaf bekommen und ich weiß wovon ich rede, denn meine Tochter (3 Jahre) ist eine notorische Schlechtschläferin.

Statt hilflose und zu 100 Prozent abhängige Babys alleine weinen zu lassen, halte ich es für angebrachter die Rahmenbedingungen zu optimieren. Schläft das Kind ruhiger im elterlichen Schlafzimmer? Gibt es eine Möglichkeit sich tagsüber mit dem Kind hinzulegen. Die Hausarbeit zu ignorieren? Freunde und Familie um Hilfe zu bitten? In vielen Fällen lassen sich so kindgerechte Lösungen finden.

Ein Baby für einige Minuten schreien zu lassen, mag eine Notlösung für Eltern sein, die kurz davor stehen, den Verstand zu verlieren und ihrem Nachwuchs Schlimmes anzutun, weil es ununterbrochen weint. Allen anderen empfehle ich das elementare Bedürfnis ihres Kindes nach Nähe und Zuwendung zu erfüllen. Unseren geliebten Partner würden wir schließlich auch nicht weinend sich selbst überlassen, wenn wir ihm ganz leicht helfen könnten.

5. Welche Frage würdest du am liebsten beantworten?

Schwierig. Vielleicht „Wie würdest Du mit einem aggressiven Kind umgehen?“

Denn Aggressionen waren ein großes Thema bei uns, weil sich Samara von ihrem ersten Geburtstag bis sie ca. 2,5 Jahre alt wurde, extrem aggressiv gleichaltrigen Kindern gegenüber verhielt. Sie zerkratze Gesichter bis sie blutig waren und Schlimmeres. Wir glaubten an das Gute in ihr und hielten nichts von harten Erziehungsmethoden wie Bestrafen, Stiller Stuhl oder Ähnliches. Wir nahmen stattdessen unser eigenes Verhalten unter die Lupe und wandten uns an eine Familienberaterin – nach 1,5 Jahren harter Arbeit, vielen Tränen und etlichen Zweifeln wurde Samara schließlich ruhiger. Sie ist nach wie vor ein impulsiver Mensch, aber in den meisten Fällen kommuniziert sie nun statt körperlich zu verletzen. Weil ich mich so intensiv mit dem Thema auseinandersetzte, empfehle ich Eltern von aggressiven Kindern gerne meinen 3-teiligen Erfahrungsbericht mit vielen praktischen Tipps und Anregungen.

Liebe Kathrin, vielen Dank für dieses ausführliche, informative und sehr wertvolle Interview!

Béa

Update: Das Interview ist lange her, die Antworten von Katrin bleiben wunderbar und gültig. Ich möchte allerdings sie erneut interviewen. Was soll ich sie fragen? Was interessiert euch noch außer die Themen Tragen, Stillen und Schlaf?

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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