Mädchen und Mathe TEIL 1 – ist da noch was zu retten? (Enthält etwas Werbung für Scoyo)


Die Frage ist provokativ – aber es ist bewiesene Tatsache: Das Thema „Mädchen und Mathe“ ist ein Bildungsproblem. Nach Pisa-Daten und anderen Studien liegt die Krux in der allgemeinen Haltung der Gesellschaft.

Tatsache ist: Mädchen verstehen mathematischen Zusammenhänge eigentlich ganz unproblematisch, aber es gibt immer wieder irgendjemand, der ihnen ein Komplex anzüchtet. Hier erzähle ich euch, wie Eltern dies vermeiden und mache dazu etwas Werbung für einen Elternabend von Scoyo zu diesem Thema am 24. Januar, bei dem ihr auch via Google Hangout dabei sein könnt.

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Aber nun eins nach dem anderen. Erst habe ich eine persönliche Story, dann einige andere Geschichten aus der Tollabea Community – als ich folgende Frage gestellt habe:

Nun, zu mir:

Die Einstellung zu Mädchen und Mathe war ein kleiner Schock für mich, als ich neu in Deutschland war

„Wow, du bist ziemlich gut in Mathe, und das als Mädchen!“ war eines der ersten Komplimente, die mir diverse Lehrer und Mitschüler in Deutschland machten. Ich war 15, war frisch nach Deutschland geflohen (die ganze Story ist hier) und auch wenn meine Sprachkenntnisse am Anfang recht begrenzt waren, bekam ich das Gefühl, dass „hier“ ganz andere Einstellung zum Thema „Mädchen und Mathe“ herrscht. Sie sollte sich bestätigen, was mir allerdings eher zugute kam. Ich plantschte mich durchs Fach Mathe inkl. Leistungskurs in Baden-Württemberg wie ein Cocker Spaniel, der in einem Teich Stöckchen holt. Easy! Mit Bestnoten! Physik ging sozusagen im gleichen Fahrwasser mit… Und ich war irgendwie das Wundermädchen, das etwas konnte, was die anderen Mädchen nicht konnten. Was eigentlich: Logisch denken? Rechnen? Verstehen?

Ich war diese Einstellung zu Mathe und Mädchen ganz und gar nicht gewohnt. In meiner Kindheit galt: Wer vernünftige Rechtschreibung und Mathe nicht konnte, gleichermaßen, galt an Analphabet – ohne Unterschied zwischen Mädchen und Jungs, Männer oder Frauen. Die Geschlechterdiskriminierung blieb beim Sport: Jungs mussten zum Fußball und Mädchen zum Turnen. Mathe war für alle da, und Mathe war spielerisch schön – und eigentlich eines der wenigen Fächer, bei denen wir uns alle entspannen konnten. Hier konnte man nichts politisch Falsches sagen. Puh. Die Welt der Zahlen hatte mit Auslegungen der Partei nichts zu tun. Meine ganze Klasse in Rumänien mochte Mathe.

In Deutschland musste ich aber feststellen, dass Mathe nahezu Panik in weiblichen Wesen auslöst!

Hier ist es anders. Es ist vertrackst mit Mathe und den Mädchen. Es ist, als würde ein „Ich-kann-kein-Mathe“ Virus von Mädchen auf Mädchen, von Mutter zur Tochter, von Erzieherin auf Kitamädchen überspringen: „Wir können kein Mathe“. Und wenn es zur dritten Klasse kommt, ist das Thema „Textaufgabe“ das große, fiese, dunkelste Spukgespenst der Vergleichsarbeiten. Glaubt mir, ich habe als Schulgründerin viele panische Eltern (oder waren es Mütter?) erlebt… und panische Schülerinnen.

Als Mutter einer Tochter war ich von Anfang an bedacht, dass diese Angst nicht an meiner Carina kleben bleibt. Und natürlich passierte das nicht – denn wir haben von Anfang an mit Freude und Spaß mathematisch-logische Spielchen gespielt. Beispiel: Wenn es ans Tischdenken ging, grade wenn Gäste dabei waren, haben wir überlegt: Wie viele Teller, Gabeln. Messern, etc werden wir brauchen? Wie viele Kartoffeln werden gegessen werden? Wie platzieren wir die Salzstreuer, damit jeder eins in Reichweite hat? Und als wir Spaß an solchen Fragen hatten, habe ich ein Honigkuchenpferd gestrahlt und habe gesagt: „Das ist Mathe!“. Klar fand sie Mathe dann cool.

Ergebnis: Auch sie war das Wundermädchen mit den Leistungskursen Mathe und Physik. Yep. Meine Tochter hat das Anti-Mathe-Virus nicht erwischt. Einzelfall?

Spaß an Mathe und Angst vor Mathe in der Familie sind beide ansteckend

In der Community zeigt sich das gleiche Muster: Hat man ein starkes Rollenvorbild mit genügend Mathebegeisterung in der Familie, ist das ansteckender als der Virus der Gesellschaft. Ist die Angst in der eigenen Familie, ist es deutlich schwerer, dies loszuwerden. Auch Studien belegen dies.

Sarah Nic schreibt:

„Ich liebe Mathe, auch meine Schwestern und meine Mama waren immer super in Mathe. Ich glaube wir sind einfach damit aufgewachsen, dass das kein Problemfach ist. Meine Mama hat uns immer vermittelt, dass Mathe Spaß macht. Sie selbst ist Maschinenbauingenieurin und träumt schon lange von einem Mathematikstudium. Ich glaube Kinder lernen einfach sich für etwas zu begeistern, wenn die Eltern das vorleben. Meine Vater ist Musiker. Ich selbst hatte im Abi Musik und Mathe als Hauptfach. Die Grundeinstellung muss einfach stimmen. Frauen sind ja nicht von Geburt an Mathe-untalentiert.“

Bei Sabrina Wolf war es der Vater, der ihr die Liebe zur Mathematik vermittelt hat:

Ich bin Ingenieurin und ich liebe Mathematik und Physik. Mein Vater ist Techniker und hat mich immer zu den Baustellen mitgenommen und alles erklärt. Musste alles unter Anleitung selber reparieren.“ Allerdings aber auch: „War auf einem Mädchengymnasium, da würde man gar nicht damit konfrontiert, dass Mädchen eventuell kein Mathematik können, nur Jungs.“ 

Yvonne Söffgen versucht, als Mutter mit dem Thema anders umzugehen als die eigene Mutter und es anders weiterzugeben an ihre Tochter:

Also unsere Tochter ist erst 6..dementsprechend gerade eingeschult worden und sie liebt Mathe. Beim Spaziergang lösen wir immer Matheaufgaben.Sie macht normale Addition, während ich das ganze multiplizieren muss und der Papa ist Schiedsrichter.
Ich hingegen stand schon in der Grundschule auf Kriegsfuß mit Mathe… in der ersten Klasse! Und ich glaube, dass lag vor allem daran, dass meine Mutter immer erzählt hat, sie wäre so schlecht in Mathe gewesen und ich hätte ihr ‚Können‘ geerbt und wäre dem ausgeliefert. 
Häufig ist der Automatismus immer noch, dass Mädels, wenn auch unbewusst, in diese Schiene gedrängt werden: „Ach Mathe ist mal etwas schwerer… aber du bist ja sprachlich und künstlerisch fit…‘ “

Nina Fredrich gibt allerdings zu bedenken:

„Vielleicht ist es ja hilfreich, erst einmal zwischen Mathe und Rechnen zu differenzieren. Meine große Tochter, jetzt in der 8. Klasse, hatte nie Schwierigkeiten mit dem Rechnen. War Klassenbeste in der Grundschule, auch im Fach Mathematik. Aber ab einem gewissen Punkt hört nun mal das Rechnen auf und fängt Mathematik an. (Erkennt man daran, dass ein Taschenrechner benutzt werden darf.) Und seitdem muss sie deutlich mehr tun für das Fach und die Jungs werden besser.
Ich vermute einfach mal, dass es daran liegt, dass Rechnen eher eine Fleißarbeit ist (worin Mädchen zumeist besser abschneiden als Jungs) und Mathematik später viel mit Logik, räumlichem Vorstellungsvermögen etc. zu tun hat. Damit haben dann doch viele ihre Probleme, selbst die Asse aus der Grundschule.“

Ein schlechter Lehrer in der Schule kann viel verderben.
Ein guter Lehrer kann viel retten.

Bei Bienemaya Kerpen war der Lehrer kontraproduktiv – sie konnte sich aber noch selbst „retten“:

Ich habe Mathematik fast immer geliebt. Ein Lehrerwechsel – besser wäre Leererwechsel – brachte mich in einem Halbjahr von 1 auf 4 mit 14 Jahren. Zum Glück musste ich ins Krankenhaus und bekam die Mandeln raus, brachte mir für die direkt darauf folgende Klausur alles selbst bei – und hatte die klassenbeste Note! Da hab ich die Lehrerniete (viele von uns hatten mit dem Mann Probleme), der sich zuvor tatsächlich mit ‚Freut mich, dass du auch mal schlechte Noten schreibst‘ geäußert hatte, ins Gesicht gegrinst und gesagt: ‚Ohne Sie geht es viel besser!‘

Bei Coco Lue zum Beispiel schaffte es eine Lehrerin, das Ruder umzudrehen:

„Ich hatte selber immer arge Probleme mit Mathe. Ich war immer eine Einserschülerin, nur Mathe war die Katastrophe. In Klausuren fast nur 5 oder 6, mit mündlicher Beteiligung habe ich gerade so eine vier auf dem Zeugnis geschafft. So ging das jahrelang, Nachhilfe hat nur wenig gebracht. Eine neue Lehrerin in der 10. Klasse hat den Knoten zum Platzen gebracht. Sie war sehr streng, aber absolut fair und hat Fragen auch zum 100. Mal noch ruhig und mit Verständnis beantwortet. Dank ihr hatte ich Mathe später im Abitur mit einer glatten 1 abgeschlossen.“

Es gibt so viele spannende Geschichten, dass ich gerade beschließe, einen zweiten Teil zu diesem Thema zu bringen, in einigen Tagen. Abschließen möchte ich mit einem Zitat von Scoyo aus einer selbst durchgeführten Studie:

„Mädchen denken deutlich schlechter über Mathematik als Jungen und haben doppelt so häufig Angst vor dem Fach. In der fünften Klasse zeigt sogar jede dritte Schülerin eine klare Abneigung. Eine mögliche Erklärung dafür hat Petra Naumann-Kipper vom Institut Dyskalkulie-Saar: ‚Mädchen tendieren eher dazu, sich selbst für das „Versagen“ in Mathematik die Schuld zu geben. Jungen suchen die Ursache eher im Außen, also dem „schlechten“ Lehrer oder den Eltern, die nicht gut erklären.‘ “

In diesem Sinne freue ich mich auf Kommentare und lege euch den scoyo Elternabend im Netz – „Keine Angst vor Mathe! Was Eltern tun können, damit Kinder Spaß am Rechnen haben“ ans Herz.

Es diskutieren und antworten auf Fragen der Eltern:

  • Prof. Dr. Silke Ladel: Fachdidaktik Mathematik Primarstufe und Initiative KLEE (Kreativ Lernen, Erfolg Erleben)
  • Alexandra v. Plüskow: Lehrerin und Bildungskoordinatorin
  • Petra Naumann-Kipper: Geschäftsführerin des Instituts Dyskalkulie-Saar

Bis bald wieder!

Eure Béa

Zur Transparenz, wie immer: Dieser Beitrag ist in Kooperation mit Scoyo enstanden. Ich hätte ihn auch ohne Scoyo geschrieben, aber ein kleines Sponsoring hilft auch unserem Blog und das Thema ist wichtig. Insofern: Win-Win! 

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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5 Kommentare

Patricia
Antworten 1. Februar 2017

Was Icon Deutschland krass finde ist, dass in ganz vielen Mädchenbüchern für Grundschulkinder entweder die Hauptperson oder deren Freundin Mathe Probleme hat oder Mathe das Ätzfach ist. Echt krass finde ich das. Aufgefallen ist es übrigens meiner Tochter (8 Jahre) beim Lesen und sie findet es total doof.

    beabeste
    Antworten 2. Februar 2017

    Liebe Patricia, könnt ihr einige Screenshots machen? Ich würde das gern im nächsten Artikel einbauen... Liebe Grüße, Béa

Ellen
Antworten 3. Oktober 2018

Das Jungs räumliches Vorstellungsvermögen haben und Mödchen nicht kann ich widerlegen. Mein Vater ist persionierter Lehrer und war immer gut in Mathe, allerdings hat er im Gegensatz zu meiner Mutter und mir keinerlei räumliches Vorstellungsvermögen. Ich konnte schon in der Pubertät im Kopf einen Würfel zerlegen und wusste wie ich ihn zeichne, damit er räumlich dargestellt wird. Mit Mathe hatte ich nie Probleme, wobei es meiner Mutter in ihrer Schukzeit anders erging. Erst in ihrem Kunststudium hatte sie einen Lehrer, der ihr positiv gegenüber stand und mit deren Hilfe sie Mathe gepackt hat. Daher kann ich sagen, dass Mathe viel mit der Lehrperson zu tun hat.

Verena
Antworten 27. März 2022

Es ist interessant, sich einmal mit den Gründen zu befassen, warum mehr Mädchen als Jungen Probleme mit dem Schulfach Mathe haben. Darüber, dass dies auf gesellschaftliche Einflüsse zurückzuführen ist, habe ich noch nie nachgedacht. Eine weitere Erklärung sind oft fehlende Grundlagen, die vorher nicht hinreichend verstanden worden sind. In der Mathematik baut alles auf einander auf, sodass es bei Bedarf wichtig ist, fehlende Grundkenntnisse mit Zuhilfenahme von Nachhilfeunterricht aufzuarbeiten.

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