Gute Körper, schlechte Körper – das Körpergefühl der Kinder


Das Körpergefühl der Kinder prägt sich früh ein: Was passiert, wenn sie anfangen, sich über das Gewicht und Aussehen Gedanken zu machen? Gab es nicht eine Zeit in unser aller Leben, in der wir jung waren, nicht an morgen dachten, sondern einfach nur lebten, ohne zu vergleichen? Als wir noch ohne Vorbehalte das Leben mit dessen Vorzügen lebten und nicht im Sinn hatten ob wir „falsch“ oder „richtig“ aussehen?

BerlinMitteMom erzählt von einer sonderbaren Unterhaltung mit ihrer kleinen Tochter:
„Mama, wenn ich groß bin, werde ich mal nicht dick. Das weiß ich“, sagt das Kind.

Huch, wo kommt das auf einmal her, haben wir uns beim Lesen gefragt? Seit wann denken Kinder an ein körperliches Befinden in der Zukunft? Träume und Ambitionen über das Einfamilienhaus mit großem Garten oder den Beruf als Astronaut – aber das Gewicht? Dick, dünn?

„Ich werde wahrscheinlich normal sein“ – so Berlinmittemom’s Jüngste. Ein Anspruch für das Leben.

Aber normal… was ist normal? Und wer hat die Regelung des „Normalen“ festgelegt? Und durch welche Einflüsse werden Kinder in diese Betrachtungsebene gelenkt?

BerlinMitteMom versucht, ihrem Kind ein Vorbild zu sein und ihr als Gefühl mitzugeben, dass sie sich so lieben sollte, wie sie ist. Sie setzt darauf, ihr Selbstwertgefühl nicht dadurch zu gefährden, ihr ständig Unzufriedenheit mit dem Körper und Diätwellen vorzuleben. Und das aus gutem Grund. Kinder nehmen mehr auf, als man ahnt…

Wir haben den Beitrag in unserer Tollabea Community geteilt und hier sind einige Reaktionen von euch:

Das Körperthema wird stets von außen herangetragen.

Lisa Lie erzählt uns, dass die Tiraden schon beim Kinderarztbesuch beginnen, wenn der Doktor an den Bauch des Kindes greift und sagt: „Da müssen sie aber was tun.“ Kein schöner Satz, den man gerne hört, denn er impliziert, dass das Kind „falsch“ aussieht. Ebenso zeigt Scho Va Gee, dass es mit dünnen Kindern genauso sein kann. „Du hast gar keinen Po“, klingt für ein junges Mädchen sicherlich verstörend. Und prompt denkt sie, dass etwas nicht richtig mit ihrem Körper ist. Dies sind die Vorstufen für spätere Auseinandersetzungen mit sich und dem eigenen Körper.

Auch etwas korpulentere Eltern haben es nicht leicht, zeigt Lisa Lie: „Als dicke Mutter wird einem natürlich auch nicht geglaubt, wenn man sagt, dass gesund gegessen und sich bewegt wird.“ Und schon kommen die Rechtfertigungen ins Spiel und das Faktum „genetische Veranlagung“ verschwindet nahezu gänzlich. Dann wird es schwer, auf gesunde Weise der genetischen Vorbelastung entgegenzuwirken. Fast jeder Mensch – ob männlich oder weiblich – ist oder war in seinem Leben mit dem Thema Gewicht konfrontiert, und hat meistens stark mit Komplexen und inneren Konflikten zu kämpfen. Ob für die Bikinifigur abnehmen, oder für den Waschbrettbauch Muskelmasse aufbauen, irgendwo war das Thema sicher schon mal präsent. Martina Lehmann erzählt uns, dass das Körpergefühl besonders angeknackst ist, wenn man nach einer Schwangerschaft nicht so leicht ins ursprüngliche Gewicht zurückfindet. Ein Problem, das viele Mütter teilen… und das durch Medienberichte über Victoria Secret Models, die 6 Wochen nach der Entbindung auf Laufstegen Bikinis präsentieren, nur verstärkt wird.

Das bekommen die Kinder mit – mehr als Erwachsene ahnen. Sie imitieren oder ahmen nach.

Oft sagt ihnen das Wort „Diät“ nichts, doch wenn Mama es macht, dann will das Kind das auch. Plötzlich stehen sie vor dem Spiegel und finden sich „zu dick“. Oder sie machen über andere Kinder komische Bemerkungen: „Dicker Klops.“ „Fette Kuh.“ u.s.w.

Wer ist schuld daran? Wer hat Schuld, dass das eigene Kind so über sich und über andere denkt?

Unzählige Einflüsse von anerkannten medialen Quellen wie Kinderfernsehen, Zeitschriften oder Hörbücher vermitteln oft ein negatives und pauschalisierendes Leitbild. Der „Dicke“ ist oft der lustige Tollpatschige, isst viel und ist außerdem noch faul. Eltern können kaum dagegen ankämpfen. Genauso können sie nicht verhindern, wenn Kinder im Kindergarten oder der Schule abwertende Worte hören und mit Mobbing bzw. Gruppenzwang oder Ähnlichem konfrontiert werden. Eltern wie Steffi Grey können da nur fassungslos die Augen rollen, wenn sie hören, was ihre Kinder für Begriffe kennen, obwohl sie anders erzogen wurden.

Ich für meinen Teil kann sagen, dass ich von einer sehr lieben und wunderbaren Mutter erzogen wurde, die aber nach der Schwangerschaft mit mir, sehr unzufrieden mit ihrem Körper war und nie wieder in ihr Ursprungsgewicht zurückfand. Es war sicherlich niemals ihre Absicht, mir ein unangenehmes Gefühl zu geben, aber das Zusehen von ständigen Diäten und exzessivem Sport, hat mich nicht nur schuldig fühlen lassen, sondern eine verzerrte Wahrnehmung zum Thema Körper und Wohlbefinden verursacht. Fortan dachte ich, dass ich einfach schlank bleiben muss, wenn ich nicht so traurig wie Mama sein will. Auch Jahre später erkenne ich manchmal die körperlichen Philosophien meiner Mutter in mir wieder. Und ich versuche bewusst daran zu arbeiten, mein Körpergefühl zu ändern, damit ich meinen Nachkommen eines Tages ein gesundes Bewusstsein für den Körper und das Wohlbefinden mitgebe.

Erziehung fängt zunächst bei einem selbst an

Bei mother.ly  bin ich auf einen prägnanten Satz gestoßen, der besagt, dass man Kindern am besten beibringt, den Körper zu lieben, in dem man es selbst tut. Denn nur wer ein gesundes Bewusstsein für seinen Körper hat, kann seinen Kindern heilsame Werte vermitteln. Und so geht das:

1. Es braucht die bewusste Entscheidung, seinen Körper so zu lieben, wie er ist.

Wenn wir können: Vergessen wir Modelplakate und Körper von Schauspielern. Sie sind alle auch Menschen und sehen nur so aus, weil ihre Branche dies fordert. Außerdem sehen wir sie oft nur gephotoshoppt, und gar nicht so, wie sie wirklich sind… Ein gemütliches Kaffe- und Kuchen-Kränzchen mit der Familie ist eine wunderbare Form von Lebensqualität, die sie leider kaum kennen. Also liebt euren Körper und lasst ihn nicht über euer Leben entscheiden!

2. Sport betreiben aus Liebe zur Bewegung – nicht um abzunehmen.

Zweitens ist zu bedenken, dass Sport allemal wichtig ist im Leben. Aber aus den RICHTIGEN Gründen! Solange ihr Freude an Bewegungen habt und euch fit und gesund fühlen wollt, ist alles ok! Aber ironischerweise beginnt es ab dem Moment unnatürlich und ungesund zu werden, wenn ihr abnehmen wollt.

3. Kein Essen verteufeln.

Am besten sollte Essen nicht negativ konnotiert sein. Und dazu zählen sowohl Süßigkeiten, als auch Burger und Pizza. Sobald man Lebensmitteln wertende Begriffe zuweist, wie: „Schokolade ist Gift“ und „Käse macht dick“, schränkt sich das normale Gefühl für Bedürfnisse und Mengen ein und lässt Ehrfurcht und vielleicht auch Angst vor einfachen Gerichten erwecken. Vielmehr ist es wichtig, gesunde Lebensmittel zu schätzen und sich von allem ein wenig zu gönnen – und wenn dann ohne schlechtes Gewissen! Es hilft eine Menge, wenn Kinder zusammen mit Erwachsenen lernen, über ihre Gelüste zu reflektieren: Was braucht mein Körper gerade jetzt? Ist es wirklich was Süßes? Oder viellicht doch ein Butterbrot? Was gibt mir Kraft? Und ganz ganz wichtig:

4. Niemand muss aufessen!

Klar ist es nicht schön, Lebensmittel wegzuschmeißen. Aber kein Kind und kein Erwachsener sollten etwas in sich hineinstopfen, nur weil es aufgegessen werden soll. Gegen das eigene Sättigungsgefühl anzukämpfen ist schnell vom Körper gelernt, und tut nicht gut. Auch dazu hat Berlinmittemom gebloggt – und einer unserer erfolgreichsten Facebook-Posts mit tausenden von Likes sieht so aus:

5. Gefühle aller Art ruhig zulassen – und am besten darüber reden.

Wir alle sind Menschen und  fühlen uns gelegentlich unwohl. Die Angst vor dem Gefühl macht es meist schlimmer, als die Sache selbst. „Gut, dann habe ich eben zugenommen. Und ja, es ist ein wenig komisch. Doch so ist es gerade und auch das ist kein Weltuntergang. Ich werde es überstehen.“

Und jetzt Mamas und Papas, helft eurem Kind, sich wohl zu fühlen:

Und zwar von Anfang an. Bei http://www.vaterfreuden.de habe ich ein paar tolle Tipps gefunden, wie man Kindern von Anfang an ein gutes und gesundes Körpergefühl geben kann: über viele Berührungen, bis hin zu körperlichen Aktivitäten, könnt ihr viele gute Ratschläge sammeln.

„Dazu gehört unbedingt ausreichende und unreglementierte Bewegung wie rennen, toben, klettern oder sich balgen. Die Körperwahrnehmung lässt sich außerdem durch bestimmte Bewegungsangebote gezielt fördern und verbessern: Kampfsportarten, Tanzen, Reiten.“

Körperwahrnehmung ist sehr wichtig für das spätere Selbstbewusstsein und die natürliche Entwicklung bei Kindern.

Denn wer von innen leuchtet, strahlt auch nach außen. Egal durch welche Methoden, helft euren Kindern, eine gesunde Wahrnehmung für den Körper zu erreichen. Meldet es zusätzlich in Sport- oder Tanzkurse an, dann lernt es schon frühzeitig seinen Körper kennen und kann Bewegung und Koordinationsfähigkeit lernen. Wenn ihr mehr zum Thema Tanzen und Körpergefühl erfahren wollt, dann schaut einfach bei elternwissen.com rein und macht euch über die positive Auswirkung des Tanzes schlau.

Wenn ihr das Ganze auch kreativer gestalten wollt, dann könnt ihr durch einige Spiele versuchen, ein gesundes Selbstbewusstsein und Körpergefühl mit Spaß und Freunde zu entwickeln. Tipps und Anleitungen dazu hier: http://www.friedensbuero-graz.at.

Und wenn es um Essstörungen im jugendlichen Alter geht, empfehlen wir euch Mias Anker. 

Weitere Links zu unseren früheren Blogbeiträgen findet ihr hier:

Sieben Ideen für ein besseres Körpergefühl bei Kindern

Einfach ich! – Für ein besseres Körpergefühl bei Mädchen

Damit verabschiede ich mich mit meinem ersten Blog Eintrag! Ich mache gerade ein Praktikum bei Tollabea und habe mich gefreut, über ein so wichtiges Thema schreiben zu können!

Euch noch eine schöne Woche und ganz liebe Grüße!

Eure Mounia

(„supervised“ von Béa – übrigens, Mounia freut sich über Kommentare als Ermunterung zum Bloggen 🙂 )

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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7 Kommentare

Andrin
Antworten 24. März 2017

Danke, liebe Mounia, für den schönen Text mit so vielen lesenswerten Anregungen! Ich habe vor einer Weile auch über mein Körpergefühl geschrieben (http://www.momandart.de/mein-koerper-und-ich/). Zum Glück hatte meine Schwangerschaft den gegenteiligen Effekt dessen, was du von deiner Mutter beschreibst.
Allerdings habe ich früher meine eigene Mutter auch öfter über sich meckern hören, was mein Selbstbild definitiv mitgeprägt hat. Auch ich möchte meinem Kind vorleben, dass wir völlig okay und schön so sind wie wir sind.
Ich hoffe, wir kriegen das beide hin. ;)
Alles Liebe!
Andrin

Cori
Antworten 24. März 2017

Toll recherchiert und geschrieben! Danke, Mounia, weiter so! ??

CAREN
Antworten 28. März 2017

Soweit ein lobenswerter Ansatz, aber: Die verweichlichte Haltung, meinem Kind alles durchgehen zu lassen (“Meine Kinder müssen NIE aufessen“) und darüber hinaus zu lehren, dass es die einzigartigste Schneeflocke der Welt ist, halte ich für höchst bedenklich und - mit Verlaub - dumm und naiv.

Oft genug testen Kinder ihre Grenzen beim Essen aus: “Ich will noch mehr, ja, wirklich, ich habe noch Hunger!“, dann werden zwei Happen gegessen und der Rest wird weggeworfen? Bei mir nicht. Meine Kinder wissen: Wenn sie mehr wollen, essen sie das auch auf. Bei mir gibt es keine Spielereien und kein Gehampel am Tisch. Gibt es Reste, die aus Langeweile oder Übermut entstehen, werden diese solange wieder vorgesetzt, bis sie aufgegessen sind. Das gilt auch für angeknabberte Schulbrote oder halb angekaute Äpfel (“Paul hatte heute Kekse dabei, ich hatte keinen Hunger“). Die gibt es dann eben nochmal zum Abendbrot.
Meine Kinder lernen so, (hoffentlich): Sie sind privilegiert, und zwar nicht, weil sie so unglaublich einzigartig und toll sind, sondern weil sie Glück haben. Das sollen sie mit Verantwortung tragen. Und sie lernen Demut, Dankbarkeit und Bescheidenheit. Und, dass es Grenzen für sie gibt, ein Thema, das ich bei all der Weichspülerei auf Blogs wie diesen schmerzlich vermisse.

Julia Schöneberger
Antworten 30. Juni 2019

Liebe Mounia,
ich lese solche Artikel immer ein bißchen mit gemischten Gefühlen, weil ich es oft einfach nicht schaffe, meinen Körper so zu akzeptieren, wie er ist. Und das, obwohl ich auch vor den Schwangerschaften nicht dünn war. Ich habe beschissenes Bindegewebe, hatte auch mit 14 und Normalgewicht Besenreißer und Cellulite, während meine Freundinnen alle knackig waren.
Der Vorteil ist vielleicht, ich kann es versehen, wenn sich Kinder und Teens, die anders als "normal" sind, schlecht fühlen. Und dass, so sehe ich das auf jeden Fall in der Schule, ist nicht mal immer ein "zu dick", bei den Jungs ist es fehlende Körpergröße oder Muskelmasse, bei den Mädels auch vielleicht Haare, die sich nicht gut lang züchten lassen oder eine Brille. Und dann stehe ich da vorne, die kleine Dicke mit der Brille. Und habe, so mit Anfang 40, beschlossen, den Körper einfach nicht mehr so wichtig zu finden und das auch laut zu sagen. Im Ernst. Er macht seinen Job fantastisch, ist seit 48 Jahren bis auf kleine Macken gesund, hat zwei phantastische Kinder geboren, kann doll viel arbeiten, viele verschieden Sportarten und bewegt mich fort. Mehr soll er nicht. Dekoration kaufe ich mir und hänge sie an die Wand, ich möchte nicht mehr hübsch oder schön sein. Ich möchte ein guter Mensch sein. Und irgendwann hab ich bemerkt, dass mich das entspannt, und die Leute um mich herum auch. Und die Kinder in der Schule können sagen: "sie sind toll, weich wie ein Marshmallow!" Und es ist freundlich gemeint und wird auch so verstanden.
Und ich versuche, sowohl zu hause als auch in der Schule, darauf hinzuweisen, dass wir im Leben, auf der Erde, deutlich wichtigeres zu tun haben, als uns Gedanken über unseren Hintern zu machen. sonst machen meine Kinder in 20 Jahren vielleicht Zwangsdiät. Und dann macht der Satz meines Kinderarztes, den er zu mir sagte, als ich 8 war, Sinn: "die ist ein guter Futterverwerter, die stirbt als letzte, wenn nochmal Krieg kommt."
Aber es gibt, gerade im Sommer, auch immer wieder Tage, an denen ich lieber keine Dellen in den Oberarmen hätte......

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