„Er / sie hat mich geärgert…“ Was bedeutet das? Und wie gehen wir damit um?


Er / sie hat mich geärgert… oder gar: wütend gemacht. Und dann reagierte ich entsprechend.
Schließlich hatte der andere in meinen Augen Schuld und das wollte ich ihm dann auch zeigen oder sagen.

Was ich durch die Gewaltfreie Kommunikation gelernt habe:

Mich kann niemand wütend machen. Das liegt in mir selbst. Und ich suche jetzt in mir, was ausgelöst wurde.

Später im Artikel mehr dazu, jetzt zum Thema:

„Er / sie hat mich geärgert!“

Denn für mich liegt hier irgendwie auch ein Ursprung dieser Denkweise und Prägung.
Wer kennt das auch von sich oder den Kindern? „Mama, xy hat mich geärgert!“. Tränen und Wut.
Manchmal war ich dann sofort auch verärgert.
Heute kann ich genau sagen, was sich damals in mir abspielte: Hilflosigkeit, weil ich mein Kind so gesehen habe.

Was ist denn jetzt dieses „geärgert“?

Ein Mensch sagt oder tut etwas und ich bin ärgerlich. Und hier liegt für mich der entscheidende Unterschied: „Du hast mich geärgert!“ vs. „Ich bin ärgerlich.“
„Was ist denn genau passiert?“ fragen dann womöglich die meisten von uns.
Für mich hier wichtig: Erzählen, was der andere getan oder gesagt hat. Und zwar reine Beobachtungen. Was ich damit meine? Nicht: „xy war gemein zu mir!“ sondern eine Beschreibung – wie, wenn eine Kamera Aufnahmen gemacht hätte. Was habe ich gesehen oder gehört?

Ein Beispiel:
„Ich habe mit meinem Auto gespielt. Dann kam xy und setzte sich zu mir. Wir haben eine Weile zusammen gespielt. Und dann nahm xy das Auto und ging weg.“
Das ist die Beschreibung. Und klingt ganz anders als „xy hat mich geärgert“, vor allem vielleicht auch für das Kind selbst, was diese Beobachtung berichtet.

„Er / sie hat mich geärgert“ unterstellt manchmal gefühlt den Vorsatz des anderen, mir Schaden zufügen zu wollen.
Wenn nun ein anderes Kind dieses Auto nimmt und damit geht, wollte es das andere Kind ärgern?

„Es sind nie die Tatsachen, die uns beunruhigen und ärgern,
es sind immer unsere eigenen Bewertungen.“
Marshall B. Rosenberg

Spreche ich dann mit diesem Kind (oder auch die Kinder untereinander) ergibt sich womöglich ein: „Ich habe das Auto genommen, weil ich sehen wollte, wie schnell es die Rutsche runter fährt.“
Aus: „Du hast mich geärgert!“ kann hier schnell ein: „Ich will das auch sehen!“ werden. Und beide laufen zusammen zur Rutsche.

Wenn die Kinder älter sind, können sie natürlich in einem Gespräch alleine klären. Dass jemand verärgert war, weil der andere etwas nimmt, ohne zu fragen:
„Als du mein Auto genommen hast und einfach gegangen bist, war ich verärgert. Mir ist es wichtig, dass du mich fragst, wenn du etwas nimmst. Können wir uns bitte darauf einigen?“
Jeder natürlich so, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Was ich hier schreibe sind Beispiele, um mich verständlich zu machen. 

Anstatt also zu sagen: „Du hast mich geärgert… / Ich bin wütend, weil du xy gemacht hast…“
Wie wäre es mit: „Ich bin ärgerlich, weil ich brauche und mir wichtig ist…“

Die Quelle des Ärgers liegt in uns, nicht im außen. Die Gefühle spielen sich in uns ab! Und doch sind viele von uns  seit der Kindheit darauf trainiert, mit dem Finger auf andere zu zeigen.

Bedeutet das jetzt im Umkehrschluss, jeder kann sagen und tun, was er möchte, ohne auf andere zu achten? Und ich muss meinen Ärger schlucken und so tun, als wäre nichts?
Nein. Mir geht es darum auszudrücken, was in mir vorgeht.
Ohne Schuldzuweisungen, Bewertungen und Vorwürfe.

Zum Beispiel zurück: Ein Kind nimmt also das Auto und läuft damit weg.
Dieses Kind war wohl neugierig (Gefühl), wie schnell das Auto die Rutsche runter fährt.
Und das Bedürfnis hier war vielleicht: Spiel.
Ja, das Kind hätte fragen können: „Du ich will sehen, wie schnell das Auto auf der Rutsche wird. Kann ich es mal haben und das testen / Wollen wir das gemeinsam ausprobieren?“ Weil es eben nicht sein Auto ist und das damit anerkennt. Auch achtsam dafür sein, was wir tun und sagen. Die Gefühle und Bedürfnisse von anderen Menschen achten.

Fazit: Frühzeitig lernen darauf zu achten, dass eben andere etwas auslösen aber nicht die Schuld an unseren Gefühlen haben.
Es sind unsere unerfüllten Bedürfnisse, die diese Gefühle auslösen.
Und auch im Miteinander achtsam dafür sein, was wir tun und sagen.

Auch später dann als Erwachsene: „Du hast mich wütend gemacht!“

Hier hilft die Gewaltfreie Kommunikation dabei einen Schritt zurückzugehen, tief zu atmen, in mich zu schauen, was ich fühle und was ich brauche. Denn mich kann niemand wütend machen! Das liegt bei mir selbst. 

Und dann gehe ich in die Kommunikation.

Ich war lange zögerlich über dieses Thema zu schreiben. Ich war unsicher, ob ich das was mich bewegt, auch transportieren kann. Denn auch bei mir saß die Prägung im Außen zu suchen, sehr tief. Es ist ein Prozess. Und ich bin dankbar, dass ich den Zugang zur Gewaltfreien Kommunikation und somit auch zur Selbstreflexion erlernt habe.

Könnt ihr den Unterschied auch spüren, wenn jemand zu euch sagt:
„Du hast mich geärgert“ oder „Ich bin ärgerlich, weil ich …. brauche“?

eure
mindfulsun

mindfulsun
About me

Mensch, Mama zweier Jungs, die versucht ihre Werte zu leben und die innere Balance zu halten. Ich schreibe über Achtsamkeit, vegane Ernährung, Nachhaltigkeit und verbindende Kommunikation von Herzen. Was ich mir wünsche? Einander mit mehr Mitgefühl und Empathie zu begegnen, überall auf der Welt.

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