Gefühl oder Gedanke? Du nervig oder ich genervt? In der Kommunikation bei mir bleiben


„Geh mir nicht auf die Nerven, ey!“ – Kennt ihr aus eigener Erfahrung solche Sätze, die sich anfühlen, als würde man sie euch an den Kopf knallen und eine Beschuldigung beinhalten? Im täglichen Umgang? In den sozialen Medien?

Haalt. Das sind rhetorische Fragen. Nehmt sie mit beim Lesen. Die richtige Frage an euch steht am Ende…

mindfulsun hat sich vorgenommen, sich dieses Themas anzunehmen. Heute kommt ein erster Part dazu, der uns Eltern ganz besonders helfen kann, auf eine respektvolle Kommunikation, gerade mit den Kindern, zu achten. Und ab hier schreibt unsere Achtsamkeits-Kolumnistin: 

Eigentlich wollte ich jetzt einen Artikel zu Kommentaren auf Social Media schreiben und dabei fiel mir auf, es gibt da etwas, was ich gerne vorab beschreiben möchte:

Mein Unterschied zwischen Gedanken und Gefühlen.

Nicht alles auf andere und äußere Umstände zu schieben.
Und wie ich durch Selbstreflexion, Achtsamkeit und Meditation begonnen habe, ganz anders zu kommunizieren.

Wenn ich vorher viel im Außen gesucht habe, fange ich nun bei mir an.

Wie oft habe ich Gedanken mit wirklichen Gefühlen verwechselt? Wie oft habe ich spekuliert, interpretiert und das dann genauso ausgedrückt? Wie oft habe ich damit anderen Menschen (manchmal unbewusst) etwas vorgeworfen und es entstanden Spannungen? Ja, auch mit meinen Kindern.

Jetzt empfinde ich es sehr wichtig, auf mich und meine Sprache zu achten. Und darauf, die Gefühle dahinter genau benennen zu können.

In meiner Kindheit habe ich das nicht gelernt: Bedürfnisse äußern, über Gefühle zu sprechen.

Das war in meiner Familie nicht verankert. Stattdessen habe ich viel durch die Blume gesagt, um den heißen Brei herum geredet und das auch später in zwischenmenschliche Beziehungen getragen.

Gefühle und Gedanken habe ich oft verwechselt und auch vermischt. Ich habe meine eigene Interpretation der Situation dabei einfließen lassen und das ging noch fast jedes Mal nach hinten los. Bewertungen und Beurteilungen kamen dann noch obendrauf.

Ein klarer Indikator dafür, dass ich meine Gefühle ausdrücke:
Ich sage bewusst „Ich bin….“ und dann ein Gefühl einfügen.

Ich bin gestresst. Ich bin müde. Ich bin entspannt. Ich bin überlastet. Ich bin unzufrieden. Ich bin traurig. Ich bin fröhlich.

Alles was ich mit „Ich fühle mich…“ oder mit „Du bist /Du hast“ ausdrücke, sind meist Gedanken.

Anschauliche Beispiele für mögliche Gedanken und was für Gefühle dahinter stecken könnte:

„Ich fühle mich von dir im Stich gelassen!“

Was ist das Gefühl dahinter? Bin ich verletzt, fühle ich mich einsam? Bin ich frustriert oder verärgert?
Hat mich der andere wirklich im Stich gelassen? Kann ich das mit Gewissheit sagen?
Hier meine wahren Gefühle zu kommunizieren, empfinde ich als viel wertvoller. Was wünsche ich mir von dem anderen Menschen? Was ist mein Bedürfnis? Und vor allem: Wo liegt hier meine Verantwortung?

„Ich kann mich eben nicht auf dich verlassen.“

Ein Satz, den ich in meiner Kindheit einige Male gehört habe und ich glaube, ich habe ihn sicher auch benutzt. Hinter diesem Satz stecken Gefühle: Ich bin verletzt, traurig und vielleicht auch verärgert. Oder ich fühle mich unsicher. Hier bin ich nun angehalten zu schauen, was mein Bedürfnis ist und es gemeinsam mit dem jeweiligen Gefühl zu formulieren: „Ich bin enttäuscht. Wir hatten eine Absprache und ich möchte dich bitten, diese auch einzuhalten“.

Könnt ihr hier den Unterschied spüren? Statt auf den anderen Menschen loszugehen, schaue ich in mich und kommuniziere das so.

Gefühle und Bedürfnisse kommunizieren, verbunden mit einer Bitte. Nicht einfach, wenn man es nicht gelernt hat. Und das habe ich in meiner Kindheit leider nicht. Bei mir bleiben, ist mir sehr wichtig geworden. Leider ändern sich Sprach- und Denkmuster nicht über Nacht und es erfordert Übung. Achtsam dafür sein und mir auch bewusst werden, wenn ich in alte Muster falle, ist mir wichtig.

Noch zwei Beispiele aus meiner Kindheit:

„Du machst mich wütend!“

So schallte es aus dem Mund meiner Mutter. Und dann folgte eine Strafe.
Kann ich jemanden wütend machen? Nein, kann ich nicht.
„Ich bin wütend!“ Ist in dem Fall richtig. In meiner Mutter war ein Gefühl und ich war nicht dafür verantwortlich.

„Du nervst mich!“

Ich suche bei dem anderen Menschen die Schuld für mein Gefühl.
Für mich richtig: „Ich bin genervt“.

Es liegt also bei mir! Und dann schaue ich, warum ich genervt bin. Und natürlich darauf, welches Bedürfnis ich jetzt habe.
Nehmen wir an, ich möchte meine Ruhe, weil ich müde bin und einen stressigen Tag hatte.
Dann formuliere ich ein: „Ich möchte bitte zehn Minuten Ruhe. Ich bin müde und hatte einen schweren Tag…“.

Ich hoffe, ich konnte an diesen Beispielen zeigen: Es gibt einen Unterschied zwischen Gefühlen und Gedanken und es geht um das dahinter. Und natürlich darum, die Bedürfnisse und Gefühle klar zu kommunizieren. Die Verantwortung für meine Gefühle übernehmen und konkrete Bitten äußern! Mir ist es auch sehr wichtig, dass meine Jungs das können.

Zum Abschluss dieses Beitrags habe ich eine Frage an euch. Bitte nicht mit „gut“ oder „schlecht“ beantworten. Ich würde mich freuen, wenn ihr wirklich in euch hinein fühlt und das auch benennt.

Wie fühlt ihr euch in diesem Augenblick?

Meine Antwort:

Ich bin gerade erschöpft.

Eure mindfulsun

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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7 Kommentare

Christian
Antworten 12. Dezember 2019

Sali Mindful,
So ein toller Artikel. Ganz toll geschrieben und wieder mit super Fragestellungen zum nachdenken.

Liebe Grüsse aus (derzeit) Basel
Christian/Kritikverloren

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