Menschen kennen unsere Gefühle nur dann, wenn wir sie ihnen mitteilen
Viele Konflikte lassen sich durch ehrliche Gespräche vermeiden. Dies setzt allerdings voraus, dass wir nicht von anderen erwarten, dass sie Gedanken lesen können. Hier folgt ein kleiner Reminder, dass andere Menschen unsere Gefühle nur dann kennen, wenn wir sie ihnen auch mitteilen. Das gehört zur Selbstfürsorge!
Die Buch- und Filmwelt hat mir eine Menge Unsinn eingeredet, unter anderem die Tatsache, dass die beste Freundin immer weiß, was in mir vorgeht. Oder dass der Seelenverwandte nur dann einer ist, wenn er mich fast so gut kennt, wie mich selbst. Oder noch besser!
Hin und wieder treffen wir tatsächlich auf Menschen, bei denen schon gleich zu Beginn eine ganz besondere Verbindung da ist, bei der wir uns ohne viele Worte wunderbar verstehen. Und mit den Jahren passiert das ohnehin automatisch; wir erleben ihre Stimmungen und lernen, sie besser einzuschätzen.
Aber Gedanken lesen kann keiner von uns. Manchmal erleben wir einen blöden Tag in der Schule oder der Arbeit, sind verstimmt, und denken an nichts anderes mehr. Aber unser Umfeld war nicht dabei und weiß demnach gar nicht, was in uns vorgeht. Können wir das anderen vorhalten? Nein. Und trotzdem tun wir es.
„Man muss mir doch ansehen, dass irgendwas nicht stimmt!“
Es stimmt, dass einige von uns ganz feine Antennen haben und gleich spüren, wenn die Person eine ganz bestimmte Stimmung versprüht. Oft können wir auch vom Äußerem heraus auf Verstimmungen schließen, verquollene Augen, dunkle Augenringe. Aber einige erkennen die Anzeichen trotzdem nicht. In besonders krassen Fällen ist das schade, weil es von wenig Empathie zeugt. Und dennoch können wir das anderen nicht vorwerfen. Nicht, solange wir unser Anliegen nicht klar und deutlich äußern.
„Dir muss doch klar sein, dass es mir schlecht geht.“
Als meine Oma gestorben ist, ging es mir richtig mies, mehr noch brach meine Welt zusammen, während sie sich für die anderen immer weiterdrehte. Ich hatte einen großen Mitteilungsdrang, traute mich aber nicht, von selbst anzufangen, und wurde mit den Wochen immer wütender, weil sich meine Liebsten gar nicht nach mir erkundigten. Während eines passiv-aggressiven Ausbruchs sprudelte der Frust dann aus mir heraus – meine Freundinnen waren total baff, weil sie meinen Verlust gar nicht mehr auf dem Schirm hatten. Dennoch entschuldigten sie sich nicht, weil ich ja auch etwas hätte sagen können. Damals war ich zutiefst verletzt, heute verstehe ich den Punkt total.
„So was muss man in einer Beziehung nicht immer sagen!“
Wie bereits erwähnt, hatte ich mein halbes Leben lang eine sehr romantisierte Sichtweise von Freundschaften und Beziehungen. Ich ging davon aus, dass ich viele Bedürfnisse gar nicht äußern müsse, weil sie ohnehin glasklar waren. Dass meine Freundinnen nach dem Tod meiner Großmutter nach mir fragen, zum Beispiel. Dass sie sich nach mir erkundigen, wenn es ihnen schlecht geht, so wie ich es bei ihnen tue.
Gefühle offen und ehrlich mitteilen
Ich glaube, dass es sich um einen Trugschluss handelt, bestimmte Verhaltensweisen in jeder Beziehung von vornherein zu erwarten. Jeder Mensch ist unterschiedlich und hat demnach auch andere Bedürfnisse. Die einen sind lauter, die anderen stiller, die einen teilen sich offen mit, die anderen würden gern, warten aber darauf, danach gefragt zu werden. Warum dann nicht ganz offen darum bitten?
„Hey, ich würde mich freuen, wenn du gelegentlich nach mir fragst. Meine Oma ist gerade gestorben, und ich wünsche mir gerade ein wenig Liebe und mentale Unterstützung.“
Ich weiß, dass sich viele Menschen davor sträuben, ihre Bedürfnisse ganz klar zu äußern, weil sie Angst haben, dass dann gestritten wird, aber ernste Gespräche bedeuten nicht gleich zu streiten! Im Gegenteil, denn dadurch lassen wir sie gar nicht erst entstehen und geben aufeinander acht.
Erwartungen herunterschrauben
Ich weiß, es klingt hart, aber manchmal ist es wichtig, die Erwartungen an einen anderen Menschen runterzuschrauben und stattdessen ganz klar zu äußern, was gerade gebraucht wird. Tun wir das nicht, verleitet uns das dazu, viel zu wählerisch und ständig enttäuscht zu werden. Aber Achtung: Das bedeutet nicht, dass wir keinen Respekt mehr vor uns selbst haben! Erwartungen herunterschrauben soll dazu dienen, weniger enttäuscht zu werden.
Bedürfnisse anderer annehmen
Für die Gegenseite ist es wichtig, richtig zuzuhören und die Bedürfnisse der Person anzunehmen. Wenn sie sich uns mitteilt, dann nicht, um zu streiten, sondern, weil sie sich etwas von uns wünscht. Leider ist es oft so, dass die andere Partei sich angegriffen fühlt und es dadurch gar nicht erst zu einer friedlichen Verhandlung kommt. Aber die Bedürfnisse zu teilen, ist etwas ganz Starkes – und sie anzunehmen, ebenfalls.
Dennoch bin ich gleichermaßen dafür, die Empathie in uns zu stärken und viel empfänglicher für bedeutungsschwere Gestik und Mimik zu werden – aber dazu mehr in einem anderen Post!
Menschen kennen unsere Gefühle nur dann, wenn wir sie ihnen auch mitteilen!
Soweit mein kleiner Reminder! Was denkt ihr zu dem Thema?
Mehr dazu findet ihr hier:
„Da braucht wieder jemand eine extra Wurst?“ – Bedürfnisse friedlich verhandeln
Verzeihen oder nicht verzeihen – aber niemals alte Geschichten vorhalten
Verletzter Stolz und bis zum Ende stur? Aber was hat man am Ende davon?
Liebe Grüße
Mounia