Let them be little – Gedanken von Mami zum Weltgeschehen – G20


Freitag, 7. Juli 2017 – Mittagszeit

Ich habe Deadlines, aber ich kann mich nicht konzentrieren. Meine Gedanken kreisen um die Bilder in Hamburg, um die Zukunft meiner Kinder, um die Zukunft von uns allen.

Schon lange habe ich viele Punkte, die ich einfach mal aufschreiben mag, weil sie mir durch den Kopf schwirren, mich nachdenklich, traurig machen. Aber nie habe ich den Startknopf drücken können.

Vor genau einer Woche hatten wir unglaublich unbeschwerte Stunden in den Bergen des Salzburger Landes. Der Sonne-Wolken-Mix und unsere zünftige Kleidung haben gute Laune verbreitet. Wir haben ein Brautpaar gefeiert, die Liebe, die Familie. Alles war so friedlich und entspannt. Die Kinder sind umher gesprungen, haben Gras gerupft und Babykühe gefüttert. Ich bekam sogar einen Graskranz als Kopfschmuck von meiner Gang geschenkt. Es war so schön und surreal zugleich, dass sich die Stimmung ganz tief in meinem Herzen eingebrannt hat.

Wir haben den ganzen Tag über keine Nachrichten geschaut oder gehört. Nur abends verbreitete sich wie ein Lauffeuer die Nachricht von der Zustimmung für die Ehe für alle. Ein paar Augenblicke später erschien an den gegenüberliegenden Bergen im Sonnenuntergangsrot ein Regenbogen! Welch ein Zeichen. Alle strömten hinaus, alle waren glücklich, alle konnten dieses Naturschauspiel nicht fassen.

Eine Woche später zur gleichen Zeit muss ich Bilder und Videos sehen, die die blanke Zerstörungswut Einiger wieder spiegeln. Natürlich muss ich diese Dinge nicht anschauen, natürlich kann ich meine Augen verschließen, meinen Kaffee trinken und ein Buch lesen und mir nebenbei noch die Fingernägel lackieren. Aber spätestens morgen früh werden zumindest die Großen Fragen stellen. Über das Warum. Und sie wollen dann alles ganz genau erklärt haben. Denn sie sind auch schon in dem Alter, dass sie Zusammenhänge sehr gut verstehen. Sie haben an den Stränden Lomboks den Plastikmüll mit uns eingesammelt, sie sind stundenlang durch die Palmölplantagen Sumatras oder durch Soweto gefahren. Sie wissen, dass Mami aus dem kleinen Deutschland und Papi aus dem großen Deutschland stammt. Sie kennen die ehemalige Wohnanlage der DDR-Regierung (zumindest die Reste). Sie wissen, was in den USA aktuell los ist. Sie haben Flüchtlingskinder in den Schulklassen als Freunde, die nicht wissen, was mit dem Rest der Familie in Syrien passiert ist.

Also bitte, wie sollen wir ihnen die Welt erklären, wenn wir selbst nicht verstehen, was da gerade passiert?!

Mich erreichen Videos mit brennenden Autos in Wohnstraßen in Hamburg. Freunde wollten erst heute Nachmittag aus der Stadt fahren, schauen jetzt aber, dass sie schnellstmöglich von der Front verschwinden… dass Papi schnell aus dem Büro nach Hause kommt!

 

Was denken die Kinder? Wie geht es den Eltern? Wir sind doch in Deutschland! Müssen wir hier im sicheren Zufluchtsland diese Bilder ertragen?
Müssen Familien Angst um Hab, Leib und Leben haben?
Was ist mit den Polizisten? Sind das auch nicht auch Menschen, die Familien haben, zum Teil auch Eltern von kleinen Kindern?

JA, es ist ungerecht, dass es hier auf unserer Erde 20 Staaten gibt, die …!

JA, es ist nicht OK, dass es so viele Menschen in Armut und Hungersnot auf dieser Erde gibt!

JA, wir verbrauchen momentan 2,5 mal so viele Ressourcen, wie unsere Erde überhaupt liefern kann!

JA, wir alle sollten viel mehr an die Zukunft denken und mit ganz winzigen Kleinigkeiten beginnen!

Und JA, ich finde stillen und vernünftigen Protest FÜR eine gemeinsame Zukunft von uns allen gut!

Aber ich habe Angst! Angst, was heute noch kommen mag. Angst, dass meine Kinder und ich derart Situationen auch einmal erleben müssen.

Heute poppte beim Rechner Hochfahren ein Bild von mir in Marseille auf. Deutschland hatte das Halbfinale gegen Frankreich verloren. Das Wochenende verbrachten wir noch in Nizza. Mit viel Sonne und sehr viel aufmunternden Worten von den Franzosen. Genau eine Woche später raste ein LKW über die Promenade und riss feiernde Menschen in den Tod.

OK: Terroranschlag in Nizza oder 9/11 sollte nicht mit den Gewaltausbrüchen vom schwarzen Block der Gegner von G 20 verglichen werden. Sollte. Eigentlich. Nicht!

Aber auch die Gegner sind gegen ETWAS und bekämpfen dieses ETWAS mit roher Gewalt – und seien es auch nur die Polizisten oder Autos oder Geschäfte.

Leute, geht’s noch? Damit ist uns allen nicht geholfen! Damit machen wir uns doch nur lächerlich und zeigen, dass wir uns in der westlichen Welt auch nicht einig sind!

Also, habt euch lieb! Drückt eure Kids heute Abend einmal mehr und kräftig!

Eure Yvonne

Yvonne Petzke
About me

Berliner Mom of 3 * zert. PersonalTrainer * Laufcoach * Beckenbodenkursleiter (M/W) * * noch mehr Sport-/ BewegungsThemen und Persönliches über mich und mein Leben auch als UltraLäuferin findet ihr auf Instagram unter @yvonnepetzke

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