Nein sagen für Anfänger


Nein-Sagen: Gehört ihr auch zu dieser Gruppe Menschen, die sich mit folgender Situation und Gefühlslage schwer tut? Ein Mensch, der in irgendeiner Form für uns wichtig ist, möchte, dass wir etwas für ihn tun, was uns eigentlich nicht passt.

Klar haben wir alle unsere Lieblingsmenschen, denen wir nichts, aber auch gar nichts ausschlagen können. Über diese rede ich nicht. Das ist ein sehr, sehr umfassendes Thema. Davon ein anderes Mal. Auch ich rede nicht von Menschen, die in absoluter Not sind und dringend Hilfe brauchen. Das ist selbstverständlich.

Ich rede hier von den vielen Bekanntschaften, Arbeitskollegen – Menschen, die nicht unbedingt zu unserem „allerinnersten“ Kreis gehören, die wir aber nicht vor den Kopf stoßen wollen.

Die Arbeitskollegin, die „mal schnell“ eine Präsentation von vor zwei Jahren braucht – für die wir mal locker eine halbe Stunde extra suchen müssten.

Die Mitmama in der Schule, die mit Mathe auf Kriegsfuß steht und gern möchte, dass wir auch ihrem Kind bei den Hausaufgaben helfen, am besten jeden Tag.

Der eine Freund, der Freunde aus dem USA-Studium hat, und zu wenig Platz bei sich und gern unser Gästezimmer für eine Woche beanspruchen möchte, weil wir ja den Platz haben.

Bei diesen Menschen haben wir eigentlich genau 3 Optionen:

A. Wir sagen ja, weil wir es nicht übers Herz bringen können, nein zu sagen. Und ärgern uns maßlos hinterher, weil wir nicht nein gesagt haben.

B. Wir können nein sagen und uns schlecht fühlen.

C. Wir können nein sagen und uns gut fühlen.

Ich finde Option C. am besten, aber das braucht eine klare, gute Haltung und ein wenig Kommunikations-Übung.

Für die Haltung beim Nein-Sagen:

Mir hat geholfen zu verstehen, warum sich die meisten Menschen schlecht fühlen, wenn sie jemanden ablehnen –   inklusive:

Nein zu sagen, kann sich anfühlen, als ob man die ganze Person, die darum bittet, ablehnt. Ich habe für mich gelernt, zu unterscheiden: Lehne ich die ganze Person ab? Oder passt gerade das, worum ich gebeten worden bin, einfach nicht für mich? Die Unterscheidung hat mir sehr geholfen.

Oder habe ich gar Angst, danach abgelehnt zu werden, nicht mehr gemocht zu werden? Fürchte ich Konsequenzen – gerade im Arbeitsleben? Hier hilft mir, genauer zu verstehen: Was ist der Preis, den ich „zahlen“ würde, wenn ich nein sagen – und was ist der Preis des „Ja-Sagens“? Je klarer ich mir diese Fragen beantworte, um so klarer kann ich auch entscheiden!

Eine weitere Reflexion hat mir auch geholfen: Mich zu fragen, inwiefern und wie mich der andere versucht zu manipulieren. Übt jemand Druck auf mich aus? Nutzt er irgendwelche Verkaufsechniken an mir? Erzählt er mir davon, welche anderen Freunde oder Familienmitglieder ihm schon mal ganz großartig geholfen haben um bei mir irgendein Konkurrenzreflex auszulösen? Das versuche ich sauber auszusortieren.

Ich habe mein Kommunikationsreflex auch reflektiert: Ich neigte früher zu Ausflüchten. Das hat was mit vermeintlicher Höflichkeit zu tun: „Ich würde ja gern, aber… “ – keine Zeit, weil… etc. Ihr kennt das ja. Muss auch nicht gelogen sein. Es kann durchaus stimmen. Das Problem ist nur, dass ich damit das Problem auf ein anderes Mal aufschiebe. Und dann „muss“ ich ja – weil ich es noch irgendwie vom letzten Mal der Person schulde. Dann bin ich bei Option 1. Blöd.

Für die Kommunikation beim Nein-Sagen:

Ich kann nicht behaupten, dass ich es sauber jedes Mal hinbekomme, Nein zu sagen, wenn ich Nein sagen will. Aber ich werde immer für mich selbst empfunden besser. Und zwar mit folgenden zwei einfachen Grundsätzen:

1. Kein Schnellschuss – aber auch kein Aufschieben

Ich nehme mir kurz Zeit, darüber zu reflektieren: Ich muss nicht sofort „ja“ oder „nein“ sagen. Ich gebe zeitnah eine Antwort und versuche es auf keinen Fall auszusitzen – so nach dem Motto: Vielleicht findet sich in der Zwischenzeit eine andere Lösung. Aber ich sage durchaus: Lass mich bitte ein Moment nachdenken. Über meine eigenen Bedürfnisse.

2. Ich lüge nicht, ich mache keine „excuses“

Wenn ich gut reflektiert habe, sage ich es direkt und ohne wenig Erklärungen und Ausflüchte, und vor allem mit wenig Konditional drin. Kein „Ich würde ja gern, aber….“ – sondern klipp und klar: „Es tut mir Leid, das passt mir nicht.“ Eigentlich reicht das schon. Lange Erklärungen können auch dazu führen, dass sich der andere noch schlechter fühlt, weil er gefragt hat, und muss sich noch entschuldigen, dass er überhaupt gefragt hat.

Ich behaupte nicht, dass es einfach ist, so Nein zu sagen.
Aber es ist einfacher und nervenschonender, als herumzulawieren!

So, jetzt kann es sein, dass ich mich doch entscheide, nicht Nein zu sagen. Dann gilt folgende:

Sollte ich doch nicht nein sagen: Ich gehe nicht davon aus, dass ich dann alles machen muss

Ich versuche die Lage gut zu verstehen und mit dem Menschen auszuhandeln, wie wir uns die Arbeit aufteilen:

Für die Kollegin, die die Präsentation sucht, kann ich vielleicht auch einen Zugang zu einem bestimmten Ordner freigeben – und sie sucht dann selbst weiter?

Die Mama, die kein Mathe kann, kann vielleicht dann Deutsch umso besser – dann übernehme ich Mathe bei ihrem Kind und sie Deutsch bei meinem?

Und der Freund, der das Gästezimmer in Anspruch nimmt, kann sich um Bettwäsche und Sauberkeit (auch im Badezimmer) kümmern, und dann habe ich nicht alles an Arbeit?

So viel für heute. Mich würden eure Erfahrungen mit Nein-Sagen interessieren: Wie geht ihr vor? Was lebt ihr euren Kindern vor?

Liebe Grüße,

Béa

Titelfoto: Malina Ebert Photography

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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