Ein Ekeliges Halbes Jahr (EHJ). Eigentlich zwei: Trotzphase und Pubertät
Ich habe das größte Geschenk des Lebens: Ein pflegeleichtes Kind, das jetzt schon groß ist und studiert. Dennoch: Trotzphase und Pubertät haben sich bei uns gewaschen. Ich erzähle euch jetzt davon – um euch zu trösten: Ja, es sind Phasen. Und ja, sie gehen vorbei.
Meine Tochter würde ich lieben, auch wenn sie nicht mein Kind wäre.
Ich würde einfach ihr wunderbares Wesen lieben: Sie ist humorvoll, positiv eingestellt, unkompliziert, empathisch, kreativ und intelligent. Wirklich! Viele Menschen in meinem Umkreis, die mich normalerweise mit gnadenlos ehrlichem Feedback versorgen, sind sind einig: Sie ist der bessere, angenehmere, fairere Mensch unter uns beiden. Mutterliebe kann das ab, nicht?
Vor allem, Mutterliebe kann das ab, wenn die Mutter jahrelang davon profitiert hat: Ein Baby, das sich vergnügt und vor sich hin glucksend lange mit den eigenen Füßen beschäftigen konnte – oder mit gewöhnlichen Dingen wie Kochlöffel oder Tupperdosen. Ein Kleinkind, das eines Tages rund um den zweiten Geburtstag von alleine die Windel ausgezogen und erklärt hat, es möchte die Toilette benutzen und nahezu unfallfrei danach war. Ein Kind, das nach dem zweiten Tag Kita-Eingewöhnung mir ausrichten lies, dass ich sie bitte abholen soll, wenn alle anderen abgeholt werden… Okay, ich höre schon auf. Denn ungefähr hier – sie war zwei einhalb Jahre alt kam das erste Ekelige Halbe Jahr (EHJ):
Die Trotzphase – EHJ 1
Plötzlich änderte sich der Auftritt meines kleinen Wonneproppens.
Ihr stetes Lächeln: Weg.
Ihr Schritt: Stampfend.
Ihre Geduld: Im Minusbereich.
Ihr Anspruch: WAS ANDERES.
Ihre Forderung: ICH.
Ihr Kommunikationsweg: Schreien. Plärren. Oder Brüllen.
Ihr Kuschelbedurfnis: Fehlanzeige, Schmusen nur noch möglich im Tiefschlafzustand.
Das war nicht lustig, sondern anstrengend, unangenehm und kräftezerrend.
Ich muss euch nicht alles erklären, ihr kennt das. Es fing in Sommer an, sie ist in Januar geboren – und dauerte bis kurz nach Weihnachten, also ca. 6 Monate. Danach zauberte sich mein kleines Ungeheuer zurück ins liebenswürdigste Wesen aller Zeiten – das nur noch sehr gelegentlich mal einen Heulanfall bekam.
Danach hatten wir es wieder leicht: Eine Schülerin, die beliebt war, bei anderen Kindern und bei Lehrern – patent, kreativ, meistens gut drauf. Problemlos beim Essen, Kochen, auf Reisen und überhaupt… Genau 10 Jahre später ging es wieder los! Das zweite Ekelige Halbe Jahr:
Die Pubertät – EHJ 2
Frage: „Wie war’s heute in der Schule?“
Antwort: Grmpfff-Laut und Augenrollen.
Frage: „Was habt ihr auf?“
Antwort: Grmpfff-Laut und Augenrollen.
Frage: „Was magst du zum Abendessen?“
Antwort: „Mir doch egal.“ und Augenrollen
Frage: „Was sollen wir am Samstag machen?“
Antwort: „Nix.“ und Augenrollen.
Weiterführende Frage in allen Fällen: „Ist was?“
Antwort: „Was soll sein?“
„Hast du irgendwie schlechte Laune?“
Antwort, laut und mit keifenden Stimme: „Ich hab keine Schlechte Laune“. Dann Augenrollen.
Gefolgt vom beleidigtem Abziehen ins eigene Zimmer, inklusive Türknallen. Dann laute Musik.
Normale Szenen aus dem Leben mit einer Zwölfeinhalbjährigen. Auch beliebt: Kritteln an meinem Aussehen.
Businessklamotten: „Paaaaaaaiiiinlich!“
Jeans und T-Shirt: „Willste dich anbiedern?“
Alte Schuhe: „Hast du nen Penner unter der Brücke überfallen?“
Neue Schuhe: „Angebertreter.“
Erklärungs- und Kommunikationsversuche wurden quittiert mit Augenrollen – und… gefolgt vom beleidigtem Abziehen ins eigene Zimmer, inklusive Türknallen. Dann laute Musik.
Einmal meinte ihr Vater, von dem ich lange glücklich geschieden bin (siehe auch den Brief an Eltern, die sich trennen) dass ich das wohl erziehungstechnisch einfach nicht auf die Reihe bekommen würde und machte eine Reihen von Vorschlägen zur Behandlung von widerspenstigen Teenies (haha, sie ist auch sein ältestes Kind – von Erfahrung konnte man nicht reden). Ich lies die beiden milde lächelnd zu einem zweiwöchigen Urlaub gen Frankreich zeihen. Als der zuständige Vater das Kind wieder brachte, war er merkwürdig abgemagert und hatte einen nervösen Blick. Ich fragte freundlich, wie sein Erziehungsansatz funktioniert. Seine Antwort: „Sie behandelt mich wie ’nen Hund.“ Währenddessen zog sie an mir recht wortkarg vorbei, marschierte in ihr Zimmer und knallte die Tür zu. Dann laute Musik.
Ich könnte noch tausend Szenen preisgeben. Aber irgendwann stand der 13. Geburtstag an. Sie wurde netter. Fragte, ob sie helfen kann. Machte mir Komplimente zu meinem Outfit. Ich roch den Braten förmlich. Sie wünschte sich eine Feier mit Diskostimmung und ohne Erwachsene. Ich habe es ihr gegönnt, aber dafür verlangt, dass sie auch danach freundlich und hilfsbereit bleibt. Und dazu hat sie Wort gehalten.
Wir hatten dann das zweite Ekelige Halbe Jahr (EHJ 2) überstanden.
Und nie wieder solche Probleme gehabt. Leute, haltet durch!
Sagt auch Jesper Juul: „Pubertät – wenn Erziehen nicht mehr geht: Gelassen durch stürmische Zeiten!“ (Affiliate Link, also Werbung)
Welche EHJs habt ihr schon durch und wie lang waren sie wirklich?
P.S. Die Fotos in diesem Blogpost sind von meiner Tochter freigegeben.
- 15. Apr 2016
- 19 Kommentare
- 7
- Heulanfälle, Pubertät, Trotzphase
Mariel
16. April 2016Frage: Wie hast du aber auf solche Teeny-Verhalten reagiert? Wir sind schon mehrere Jahre unter der Verhalten und ich sehe keine Licht mehr.
beabeste
16. April 2016Also.... ich musste auch dazu lernen. Wenn ich beleidigt reagiert habe, hat es nicht geholfen. Schimpfen und Maßregeln hat nur Augenrollen und Ablehnung gebracht. Manchmal habe ich sie erreicht, indem ich mich offen verletzt gezeigt habe, aber auch nicht immer - da hat sie auch mal gesagt: "Jetzt tu nicht so auf Kleintier." Wenn ich auf humorvolle schlagfertige Antworten kam, hat das am besten gepunktet, weil sie lachen musste. Aber hey, ich bin auch nicht di Schlagfertigkeitsmaschine... deswegen ist mir nicht immer was Humorvolles eingefallen.
Daniela Strube
17. April 2016Ganz Klasse und sowas von typisch :-) außer natürlich, dass es nur ein halbes Jahr war. Das ist schon eher ungewöhnlich, oder doch einige Dinge von Mama sehr geschickt gelöst ;-)
Toller Artikel, ich habe ihn gleich einmal für meine KeepCoolMama-Eltern geteilt.
Liebe Grüße Daniela
beabeste
17. April 2016Lieben Dank, Daniela!
Kathrin
17. April 2016Es gibt so viele berichte in den über die kinder geschimpft wird, dabei sind wir doch die erwachsenen. wir sind die die die verantwortung tragen. wenn etwas in der mutter kind beziehung nicht stimmig ist, sollten wir uns immer fragen, was habe ich falsch gemacht das das so weit gekommen ist. kinder reagieren nur auf unser verhalten. so wie wir ihnen begegnen, so spiegeln sie uns. auch in der pupertät ist das so. ich kann mich sehr gut an meine erinnern. ich hätte mir gewünscht das meine eltern offen mit mir geredet hätten, anstatt immer nur über mich geschimpft. oft denk ich mir, kein wunder das die kinder so reagieren, bei solchen eltern. ich mein wenn mein kind von der schule heim kommt ist doch nicht das erste was ich frage wie die schule war, in dem sinne, hast du auch gut aufgepasst. am besten noch mit erhobenem zeigefinger. mich interessiert doch in dem moment meine tochter an sich. ihr wesen, ihre seele. schule ist doch völlig egal. stellt euch vor. da wird man schon in ein kindergefägnis gesteckt, kommt dann nachhause und man soll wieder von diesem gefängnis erzählen? da hätte ich auch keine lust zu.
Mamavondrein
29. Januar 2017Lass mich raten, Du hast ein Kind aus das ist erst 7?
Katrin wichert
30. August 2016Dankkkke, ich musste schmunzeln. Meine kleine ist jetzt zweieinhalb und auch im Januar geboren. Dann hoffe ich mal , dass Weihnachten bald ist;))).
NeLuMum
29. September 2016Die Trotzphase habe ich mit meinen beiden hinter mir. BigLu wird bald 8 und benimmt sich manchmal wie ein Pubertier? Da frage ich mich schon, wenn er jetzt schon so anfängt, wie soll es dann erst mit 12 oder 13 sein??? ?
Aber ich freue mich auch darauf. Es ist spannend zu sehen, wie selbstständig und selbstsicher Kinder werden?
LG Kerstin ❤️
Sandra
29. Januar 2017Danke für diesen wirklich erfrischenden Bericht!Wir haben zwei Jungs (10&3) in genau diesem nervenraubrnden Phasen.. Ich bin selber Erzieherin und habe eine recht gesunde Einstellung zum Thrma Erziehung-liebevoll,aber konsequent.Jedoch bringen mich bzw uns die beiden doch öfters an den Rande des Wahnsinns und ich hab manchmal das Gefühl ALLES;wirklich AAAAALLES falsch zu machen... Ich hoffe sehr,dass diese Phasen vorbeigehen und man irgendwanndrüber schmunzeln kann...
Lg Sandra
Kristina Frank
22. Juni 2017Tabea, Du weißt ich liebe und schätze Dich sehr. Aber ich muss jetzt hier trotzdem mal meine ehrliche Meinung dazu los werden (mit einem Augenzwinkern bitte ;-)).
Diese Trotzphasen sind Phasen der Kinder, in denen sie in ihre Eigenverantwortung treten möchten, in denen sie frei sein wollen, sich selbst leben, das tun möchten, was ihre Seele sich von ihnen wünscht. Das Leben was sie sind!
Und sie versuchen es zweimal im Leben autonom zu werden - in der Trotzphase und in der Pubertät. Ich weiß nicht mehr wer es gesagt hat, aber irgendwer schrieb mal: Trotzphase ist die Phase, wo die Eltern trotzig werden, weil die Kinder nicht mehr das tun, was von ihnen verlangt wird.
Wir versuchen uns zweimal in der Kindheit aufzubäumen und zweimal schafft es die Gesellschaft es erfolgreich wieder runter zu drücken. Irgendwann kommen die Menschen, wenn sie Glück haben, bei der inneren Kind Arbeit an und holen erst Pubertät und dann Trotzphase nach ;-).
Unsere Seele hat einen Plan, wir haben einen Plan. Es ist an der Zeit, dass wir aufhören unsere Kinder in ein Korsett zu pressen, dass uns damals schon nicht gepasst hat.
Ich kenne diese Probleme mit keinem meiner Kinder. Ich achte und respektiere sie sehr, ihre Bedürfnisse sind mir wichtig. Und wenn sie trotzig werden, dann schaue ich, warum ich denn jetzt trotzig bin ;-).
Ich hab da gestern ein Video dazu gemacht, dass ich hier gerne teile:
https://youtu.be/tQliJSlB8-A