Warum ich mein Kind liebhabe und umarme, wenn es das am wenigsten „verdient“ hat


Wir kennen doch alle diese Momente, in denen wir unser geliebtes Kind auf den Mond schießen könnten, oder? Kinder können sich in den unpassendsten Momenten unmöglich, nörgelnd oder aggressiv benehmen. Sie können uns dermaßen auf die Nerven gehen, dass wir die Weißglut in uns verspüren. Arrrgggh!

Doch Aggression hilft nicht. Was unsere Kinder und wir brauchen ist ganz einfach Liebe. Und Körperkontakt. Also Umarmungen!

Ich bin eine erfahrene Mutter – und hier sind die wichtigsten Gründe, warum ich mein Kind lieb habe und umarme, wenn es das am wenigsten „verdient“ hat:

1. Ich verstehe, dass Wut und Ärger bei meinem Kind ein Hilferuf ist

Wenn unsere unsere Kinder ausrasten, machen sie das doch nicht, um uns gezielt zu ärgern (ähm… oder eher selten, siehe Punkt 5). Meistens ist es ein Hilferuf. Vielleicht können sie ihre Gefühle nicht auf angemessene Weise ausdrücken. Oder sie wissen einfach nicht, was sie stresst, sie frustriert oder ihnen Angst macht. Sie haben die Fähigkeit zu reflektieren noch nicht drauf. Meint ihr, dass sie sich diese Fähigkeit aneignen können mit Befehlen à la „jetzt denk ganz genau drüber nach, was du angestellt hast“? Fehlanzeige! So eine Ansage packt noch mehr Frust und Stress auf ihre kleine Seele! Eine Umarmung und viele Liebe hilft da mehr als alles andere.

2. Ich will den Teufelskreis von Wut und Frust bewußt durchbrechen

Noch mal: Wenn unsere Kinder sich schlecht fühlen, verhalten sie sich nicht freundlich und respektvoll. Also nicht so, dass wir oder auch andere Menschen ihnen Freundlichkeit oder Respekt zollen. Was bekommen sie dann von uns? Wut und Frustration. Damit werden ihre Gefühle bestätigt, sie fühlen sich noch schlechter und der Teufelskreis beginnt. Es liegt an uns, dieses Zyklus zu beenden, indem wir ihnen eine Umarmung anbieten und sie daran erinnern, dass ein Fehler oder ein Fehlverhalten sie nicht zu einer schlechte Person macht. Sondern ganz im Gegenteil: Dass sie genug geliebt werden. Dass sie jederzeit Liebe tanken können, wenn sie sie brauchen.

3. Ich liebe mein Kind bedingungslos

Sie brauchen eine Umarmung, weil unsere Liebe zu unseren Kindern bedingungslos sein sollte. Wir mögen das gezeigte Verhalten nicht, aber wir lieben unsere Kinder, egal was sie anstellen. Unsere Kinder müssen das wissen. Es tut ihnen gut, genau daran erinnert zu werden, wenn sie das brauchen. Wenn sie mit sich und der Welt fertig sind.

Ihr merkt, ich habe etwas weiter oben das Wort „verdient“ in Anführungszeichen gepackt. Denn eigentlich will ich nicht, dass mein Kind jemals den Eindruck hat, es müsse sich Liebe, Umarmungen oder meinen Goodwill verdienen. Das hat meine Tochter schon erledigt, indem sie in mir aufwuchs. Meine Liebe war schon da mit ersten „Wäh!“ das ich von ihr hörte. Ist das nicht bei euch genauso?

4. Liebe ist auch die richtige Antwort, wenn sie einfach nur experimentieren

Ich bin doch nicht von vorgestern. Gerade selbstbewußte und mutige Kinder, denen man bislang auch viel Liebe gegeben hat, könnten auch von etwas anderem getrieben sein als von Frust, wie bei Punkt 1 beschrieben. Es kann sein, dass Kinder mit einem nervigen und aggressiven Verhalten schlichtweg nur das gute alte Spiel „Jugend Forscht“ betreiben – und zwar mit Mama oder Papas Nerven. Innerlich schmunzeln sie und füllen einen Beobachtungsbogen aus: „Aha, HIER ist der Siedepunkt erreicht!“ – das sind auch im Kindesleben wichtige Erkenntnisse!

Jau, was dann? Authentizität und Menschlichkeit helfen in diesem Fall auch sehr: Ich tue niemals so, als würde mich nichts verletzten oder nerven. Ich sage das auch deutlich. Aber dann biete ich trotzdem eine Umarmung, weil…

Siehe nächster Punkt:

5. Ich selbst brauche manchmal die Umarmung

Und manchmal sind wir Erwachsene es, die eine Umarmung brauchen. Wenn unsere Kinder verletzt sind, frustriert sind oder einfach unmöglich drauf… wenn wenn wir verletzt und genervt sind,  wenn wir einfach nicht mehr wissen, was wir tun sollen, sind genau wir es, die einfach Liebe und eine Umarmung brauchen!

Also: Das nächste Mal, wenn ihr alle frustriert seid… bietet einfach eine Umarmung an.

Klar ist es manchmal schwer, die Frustration zu überwinden. Auch klar, dass manchmal wird unser Angebot nicht angenommen wird, und das Kind bockt weiter.

Aber steht zu eurem Angebot… weil manchmal eine Umarmung ganz einfach die beste Antwort für ein Kind sein kann, das sich schlecht benimmt.

Habt ihr vielleicht auch schon mal die Erfahrung gemacht, dass das hilft? Erzählt mal… Könnt ihr eurer Kind lieb haben und umarmen, wenn es das am wenigsten verdient hat?

Liebe Grüße,

Béa

P.S. Katrin Xman fragte heute bei Facebook: „Umarmen und Liebe muss sich ein Kind verdienen?“, deswegen habe ich nachträglich noch im Titel das Wort „verdienen“ in Anführungszeichen gesetzt. Sie regte an: Ich versteh die Intention, die finde ich auch gut. Und ich weiß die „verdient“-Variante mag die Masse ansprechen.Aber schöner fände ich es zu zeigen, dass man auch ganz andere Gedankengänge dazu gehen kann. Wie etwa „umarmen, grade wenn es mir am schwersten fällt“. Da liegt die Verantwortung bei mir und nicht beim Kind. 

Danke für diese Sichtweise, liebe Katrin.

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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5 Kommentare

Sonja
Antworten 9. Juli 2019

Schön geschrieben, danke liebe Bea. Das sehe ich genauso. Durch meinen Sohn habe ich erst gelernt, wie wichtig Nähe und Kuscheln ist. Für ihn kommt das gleich nach Essen und Trinken. Wenn mein Sohn aber richtig wütend ist, möchte er nicht umarmt werden. Aber er möchte unbedingt, dass ich da bleibe und das mit ihm aushalte, manchmal gar nicht so einfach. Wenn die Wut dann kippt, kommt er in meine Arme und kann das dann auch beenden. Ich sage meinem Sohn auch sehr oft, dass ich ihn IMMER liebe, auch dann wenn wir mal streiten. Auch als Lehrerin kenne ich die Neigung, Ermahnungen als "die mag mich nicht" zu bewerten. Daher finde ich es immer gut, dass auch verbal zu trennen.

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