Wie erkenne ich, dass mein Kind am besten lernt?


Interessante Frage, oder? Ich habe sie neulich gestellt bekommen. Und zwar als wir mitten im scoyo-Elternbloggeraward waren, das sich mit der Frage beschäftigte: „Wie lernen unsere Kinder am besten“. Und ich musste kurz innehalten und mich selbst fragen, welche inneren Bilder da bei mir als Mutter, Schulgründerin und auch ewiges Kind, auftauchen.

Als Allererstes dache ich zunächst an Studenten in einer altehrwürdigen Bibliothek mit meterhohen Bücherregalen, wie sie in alten dicken Büchern vertieft sind…

Hört ihr dabei schon Untermalung von klassischer Musik? Jetzt brauchen wir aber dringend den Filmriss und Rückspulgeräusch!

In schneller Abfolge und mit lustigem Bumtaratata denke ich lieber an:
Ein Baby, das eine Rassel schüttelt und sie quer durch den Raum schmeisst.
Ein Kleinkind, das seine ersten Schritte macht. Ein anderes, das in eine Pfütze springt.
Eine Kitagruppe, die im Sandkasten Kleckerburgen baut.
Vorschüler, die Straßennamen entziffern. Buchstabe für Buchstabe.
Grundschüler, die am Tag der offenen Türe Eltern anderer Kinder durch ihre Schule führen und Fragen beantworten.
Chemielabor und Experimente. Kochen mit Kindern. Gelände erkunden bei einem Ausflug.
Sowas.

Offensichtlich haben alle meine Szenen des „besten Lernens“ einen gemeinsamen Nenner

Die Lernenden sind absolut vertieft in dem, was sie gerade tun. Das kann laut oder leise sein. Da kann der Einzelne ganz in sich versunken sein, oder in der sozialen Interaktion aufgehen. Doch die volle Aufmerksamkeit, das Interesse, der Fokus der Lernenden ist gerade 100% bei dem, was sie tun. Sie sind neugierig darauf und wollen es.
Sie sind im „Flow“.

Ihr habt bestimmt schon mal vom Flow gehört, aber ich möchte euch daran erinnern:

Der Begriff „Flow“ kommt aus dem Englischen  („Fließen, Rinnen, Strömen“) wurde vom Glücksforscher Mihály Csíkszentmihályi in den 80ern geprägt. Es bezeichnet das als beglückend erlebte Gefühl, wenn wir restlos aufgehen in einer Tätigkeit – und zwar so, dass wir Raum und Zeit nahezu vergessen. Wir sind dann, was wir machen.

Also: Wie erkennen wir als Eltern, dass unsere Kinder am besten lernen? Wie erkennen Lehrkräfte, dass ihre SchülerInnen am besten lernen?

Eben: Kinder, die am besten lernen, sind im Flow.
Oder besser gesagt: Im Flow-Kanal.

Nun, Csíkszentmihályi (versucht das mal laut auszusprechen… ) und die Glücksforscher-Kollegen haben auch noch den sogenannten „Flow-Kanal“ erforscht: Der verläuft genau entlang zwei Grenzen.

Die erste Grenze ist die Unterforderungsebene. Jepp, Kinder nennen das „Langeweile“. Und auch wenn ich eine große Verfechterin der Langeweile als Motor kreativer Prozesse bin, beim Lernen ist Langeweile im Sinne von „ist zu babyeinfach“ nicht fördernd. Kinder müssen sich schon etwas nach Wissen und Know-How strecken.

Aber nicht überstrecken…

Die zweite Grenze ist die Überforderungsebene. Klar, wenn Kinder sich abgehängt fühlen, dann geht nichts mehr mit dem Lernen. Zu viel, zu schwierig, zu komplizierte Lerninhalte können sie frustrieren. Aber auch eine emotionale Überforderung kann hier eine Rolle spielen: Also wenn sie durch vorangegangene Erfahrungen „schwach“ gemacht wurden und sich nicht mehr trauen, sich zu strecken, aus Versagensangst. Überforderung kann faktisch sein (sprich: Differenzialrechnung bei Drittklässlern) oder nur gefühlstechnisch einsetzen („das kann ich eh‘ nicht“)

Also das „beste Lernen“ im Flowkanal verläuft genau überhalb der Unterforderungsgrenze und unterhalb der Überforderungsgrenze.

Euer Kind lernt am besten, wenn es im richtigen Ausmaß herausgefordert wird. Wenn es an einem Thema Interesse hat und von Neugier getrieben ist. Und wenn es die Herausforderung annimmt und für sich ans sinnvoll empfindet.

So einfach. Und so schwer. Was heißt das nun praktisch für Eltern?

Auf den schulischen Kontext würde ich gern ein anderes Mal eingehen und zwar mit eurer Hilfe: Ich würde gern Situationen sammeln, bei denen ihr euer Kind im Flow erlebt habt oder gar wiederholt erlebt und vielleicht wisst ihr schon, was da gut funktioniert…

Für den Fall des Familienlernens kann ich nur anregen: Züchtet Steckenpferde. Spürt die Interessen eurer Kinder und gibt ihnen „Futter“. Aber vor allem: Traut ihnen etwas zu und erlaubt ihnen, auszutesten, wo genau die Überforderungsgrenze ist. Lasst sie Verantwortung übernehmen und macht sie stark. Und helft ihnen über emotionalen Frust. „Das kannst du nicht!“ sollte es nicht geben – sondern nur: „Das kannst du NOCH nicht!“

Und jetzt hätte ich gern eure Erfahrungen zum Thema: „Wie erkenne ich, dass mein Kind am besten lernt?“
Erzählt mal…

Übrigens: Auch Lehrkräfte (und damit meine auch ausdrücklich auch ErzieherInnen…)  sind mehr als willkommen, Erfahrungen zu teilen!

Liebe Grüße,

Béa

P.S. Aus dem scoyo- ELTERN! Blog Award 2018 kann ich zu diesem Thema noch den Beitrag einer Finalistin empfehlen: Kids&Cats zu…

„Wann fällt unseren Kindern das Lernen besonders leicht? Und was hat Fußball eigentlich mit Mathe zu tun?“

Lesenswert!

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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