„Ich will nicht mehr“ – Wie ich damals fast die Schule schmiss und einen Laden eröffnen wollte


Die Schulzeit war für mich nicht immer leicht. Besonders schwer hatte ich es in der Oberstufe. In diesem Beitrag möchte ich euch erzählen, wie ich damals fast die Schule schmiss und einen Laden eröffnen wollte.

2011. Ich war in der elften, als die Klassen neu eingeteilt wurden.

Zu meinem Pech kam ich in eine, in der keine meiner Freund*innen war, denn diese wurden in andere eingeteilt. Der Anfang war hart. Ich fühlte mich allein und ohne Anschluss und vor allem hatte ich keinen Spaß mehr. Nicht, dass die Schule generell ein spaßiger Ort war, aber die Lehrerschaft, der Unterricht und der fehlende Anschluss stiegen mir allmählich zu Kopf. Noch dazu kam, dass mich einige familiäre Probleme plagen und ich mit dem ersten Liebeskummer zu kämpfen hatte. Der Verflossene saß übrigens mit mir in der Klasse – den mussten sie natürlich in meine Klasse stecken, aber meine Freund*innen nicht…

Generell war alles anders. Während ich mich vorher noch halbwegs wie ein „Kind“ gefühlt hatte, wurden wir in der Schule plötzlich gesiezt und wie Erwachsene behandelt. Die ersten Partys und Clubbesuche fanden statt, doch ich beteiligte mich nicht an ihnen. Ich hatte nicht das Bedürfnis, mich vollsaufen zu lassen und meine Eltern erlaubten es mir ohnehin nicht, vor meinem achtzehnten Lebensjahr in Clubs zu gehen.

Irgendwann wurde es jedoch auffällig, dass ich nie dabei war. Einmal fragte mich ein Mitschüler, ob ich denn manchmal feiern gehe. Ich log und bejahrte, weil ich nicht als Langweilerin dastehen wollte, doch er durchschaute mich und bohrte weiter. In welche Clubs? Wie finde ich sie? An welchem Tag gehe ich immer? Dieser Druck war kaum erträglich. Ich wollte mich nicht rechtfertigen müssen auch nicht verspottet werden.

Schwänzen!

Dies war auch die Zeit, in der ich erstmals anfing zu schwänzen. Nicht regelmäßig, aber immer mal wieder. Die Tage verbrachte ich damit, im Bett zu liegen und nichts zu tun. Der Schulalltag hatte mich derart erschöpft, sodass ich meinen Schwänzertag nicht einmal produktiv nutzen konnte. Ich wollte einfach nur nicht in der Schule sein. Alles war besser als Schule.

„Ich will nicht mehr zurück.“

Diese Stimme summte immer wieder in meinem Ohr und wurde von Tag zu Tag immer lauter. Ich war zwar froh, dass ich die Oberstufenempfehlung hatte (ich war nämlich auf einer Gesamtschule), doch jetzt hatte ich keine Lust mehr auf das Abitur. Ich wollte einfach nur weg und nie mehr wiederkommen.

Aber was sollte ich tun? Ich dachte nach. Ich könnte ja die elfte Klasse beenden und das Fachabitur machen. Damit konnte ich auch studieren, und die Welt der Ausbildungen stand mir auch offen. Wer brauchte schon das Abi?

Naive Träume

Diese Zeit war auch jene, in der ich die Backliebe für mich entdeckte. Ich buk für mein Leben gern und stellte mir oft vor, wie es wäre, mein Geld damit zu verdienen. Einmal saßen meine Mutter und ich in einem Café und witzelten darüber, wie es wäre, ein eigenes zu besitzen. Ich würde alle Kuchen backen, sie die Inneneinrichtung gestalten. Gemeinsam würden wir ein unschlagbares Team werden.

Wie naiv ich doch war. Während meine Mutter nur scherzte, dachte ich ernsthaft darüber nach, einen Laden mit meiner Mutter zu eröffnen. Ich wusste damals noch nicht, wie viel Arbeit dahintersteckte und man nicht einfach ein Café eröffnen wollte, nur weil man wollte. Doch in mir hatte sich die Idee festgesetzt, denn nun hatte ich ein Plan B. Ich würde die Schule schmeißen, eine Ausbildung starten und danach einen Laden mit meiner Mutter eröffnen.

Plötzlich war ich auch wieder viel motivierter in der Schule. Nun, da dies voraussichtlich mein letztes Jahr war, nahm ich die 5 in Chemie lächelnd entgegen, denn ich würde das Fach sowieso nicht mehr brauchen. Ich ging wieder regelmäßig hin und integrierte mich sogar in die neue Klasse. Bald würde sowieso alles ein Ende haben.

Die Beichte

Wenig später traf ich mich mit einer ehemaligen Klassenkameradin, die nach der zehnten Klasse abgegangen war. Wir sahen uns nicht oft, standen uns jedoch sehr nahe und führten immer sehr ehrliche Gespräche miteinander. Ich beschloss ihr zuerst von meinem Plan zu erzählen, da ich ihr vertraute und wusste, dass sie es niemandem erzählen würde, weil sie keinen Kontakt mehr zu irgendwelchen Mitschülern hatte. Ich zitterte beim Reden ein bisschen, machte meinen Standpunkt aber trotzdem klar: Ich wollte weg und das Abitur hinschmeißen.

Radikale Ehrlichkeit

„Mounia, ich muss dich gleich unterbrechen“, sagte sie. „Ich halte deinen Plan für ziemlich schwachsinnig.“

Getroffen schwieg ich. Da hatte ich mich geöffnet und dann reagierte sie so unsensibel?

„Ich habe genau dasselbe gemacht wie du, und bereue es.“

Dann erzählte sie mir ihre Geschichte. Auch sie war kein Fan der Schule gewesen, hatte in all den Jahren keinen Anschluss gefunden und mit der Zeit angefangen, immer mehr zu schwänzen. Sie war nie zu dumm gewesen, um das Abitur nicht zu schaffen, aber zu faul und nicht zielstrebig genug. Jetzt standen ihr nicht alle Türen offen, weil sie sich für den Leichteren Weg entschieden hatte, anstatt die Zähne zusammenzubeißen und die zwei, drei Jahre noch durchzuziehen. Und das bereue sie.

Wenn ich bliebe, sagte sie, könnte ich nach dem Abitur trotzdem noch meinen Traum mit dem Café veröffentlichen. Aber wenn dies nicht klappen sollte, hätte ich noch einen Plan B. Der Mensch ändere sich und wer weiß, wie ich nach dem Abitur über meine Zukunft denken würde.

Ich war völlig baff. Da hatte sie es in nur einer Minute geschafft, meinen ganzen Plan über Bord zu werfen und mich noch dazu zu motivieren, weiterzumachen. Denn das tat ich. Ich dankte ihr für ihre harten, aber ehrlichen Worte und beschloss, das Abitur nicht aufzugeben.

„Es sind nur ein paar Jahre“, sagte sie lächelnd. „Die kriegst du auch noch hin.“

Und das tat ich.

Das Verrückte war, dass die Schule danach wieder cool wurde. Da ich mich ihr nicht mehr länger verschloss, knüpfte ich neue Kontakte an und traf mich hin und wieder in Gruppen. Ein Jahr später, als ich endlich achtzehn war, wurde ich sogar zu einer richtigen Partymaus, die deshalb am meisten von allen durchhielt, weil sie kein Alkohol trank. Nach der Kursfahrt in der zwölften schloss ich viele neue Freundschaften, die bis heute andauern.

Ehe ich mich versah, stand das Abitur vor der Tür. Die Zeit war so schnell vergangen, dass ich kaum hinterherkam. Als der letzte Schultag anbrach, war ich zwar nicht wirklich traurig, aber glücklich war ich auch nicht. Eine intensive Zeit mit Höhen und Tiefen war vorbei und jetzt brach eine neue an.

Ich schrieb mich für ein Studium ein, denn die Backphase hatte ich inzwischen hinter mir gelassen und ich wollte auch ganz sicher kein Unternehmen mit meiner Mutter gründen. Was war damals bloß in mich gefahren?

Soweit meine kleine Geschichte, wie ich damals fast die Schule schmiss…

Immer wenn die Zeiten mal wieder hart werden, denke ich an das Gespräch mit meiner Freundin und daran, wie sinnvoll es ist, die Dinge zum Ende hin noch durchzuziehen, um mehr Auswahlmöglichkeiten zu haben.

Demnächst möchte ich aber auch über die Gegenseite schreiben – warum es auch völlig ok ist, etwas abzubrechen, sei es ein schlechtes Buch oder ein Studiengang, mit dem man nichts anfangen kann. Aber das ist eine Schiene für sich.

Habt ihr auch solche Geschichten? Wie ist es euch damals ergangen?

Liebe Grüße
Mounia

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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