Wann ist ein Kind belohnungsabhängig?


Neulich hatte ich eine spannende Unterhaltung mit einer Gruppe von Pädagogen und wir kamen auf das Thema belohnungsabhängige Kinder. Gerade Grundschullehrerinnen machen oft die Erfahrung, dass es Kinder gibt, die aus Familien kommen, die ganz viel mit Belohnungen locken, um erwünschtes Verhalten zu erreichen.

Dazu ist anzumerken: Belohnungen können sehr vielfältig sein, und sie sind nicht per se schlecht. Vor allem ist es klasse, wenn Kinder wissen, wie sie sich selbst „belohnen“ können – also wie sie sich für etwas aufraffen und sich dann etwas Schönes gönnen.

Aber Belohnungen, die von Eltern und Großeltern kommen, vor allem als „Wenn-Dann“-Konstrukt sind auch Killer von intrinsischer Motivation, gerade fürs Thema Lernen: Wer für Geld, Schoki oder auch nur Lob lernt, lernt selten für sich. Deswegen versuchen gute Pädagogen aufzuspüren, welche Kinder es sind, die aus einem Belohnungssystem kommen und arbeiten daran, die innere Motivation, Neugier und Interessen in diesen Kindern wieder aufleben zu lassen. Und stehen auch Eltern gern zur Seite, wenn diese das Zuhause ändern wollen!

Die Pädagogen haben mir 14 Kriterien genannt, anhand derer sie merken, dass ein Kind belohnungsabhängig ist:

(Übrigens, sie haben gesagt, dass dies nur Indikatoren sind, die sie aufmerksam werden lassen. Dann beobachten sie das Kind intensiver und reden mit den Eltern, fragen, wie Belohnungen zu Hause gehandhabt werden… Bitte denkt auf keinen Fall, wenn ihr bei einem Kind eines der Anzeichen seht, dass schon was schief gelaufen ist! Und Achtung – viele der Anzeichen treffen auch auf scheue Kinder, daher muss es nicht immer wirklich Belohnungsabhängigkeit sein.)

1. Zeigt wenig Initiative, wartet auf Anweisung in allen Situationen – auch beim freien Spiel.

2. Tut was andere ihm sagen ohne Gegenfragen.

3. Kind ist nur gut drauf, wenn ausgiebig gelobt wird.

4. Hat eine sehr niedrige Frustrationstoleranz, lässt sich schnell entmutigen, wenn etwas nicht klappt.

5. Hat Angst, schlechte Bewertungen oder Benotungen zu bekommen.

6. Versucht, Fehler zu verstecken bzw. schiebt sie auf andere: „Er hat angefangen“ / „Er hat mir gesagt, ich soll das machen.“

7. Erfindet Ausreden, lügt um sich herauszureden. (Der berühmte Hund, der die Hausaufgaben gefressen hat.)

8. Setzt sich nie für andere ein.

9. Sagt oft das, von dem es vermutet, dass andere es hören wollen.

10. Versucht, besser da zu stehen als andere – oft auch auf Kosten von anderen.

11. Kann nicht unterscheiden zwischen Identität und Tun. Wenn es etwas „schlechtes“ getan hat, sieht sich selbst als „schlecht“ an.

12. Ist nachtragend.

13. Wenn ein Witz in der Klasse fällt, checkt es erstmal die anderen ab, ob sie lachen, und lacht später.

14. Plappert oft die Meinung anderer nach.

Übrigens, ich kenne zu diesem Thema „Belohnungen“ noch eine Theorie, und die betrifft sowohl Erwachsene als auch Kinder. Der Karriereberater und Bestseller-Autor Dan Pink hat herausgefunden, wie wir menschliche Wesen zum Thema Belohnungen (Im Wirtschaftsleben: Bonus-Zahlungen) funktionieren:

Bei mechanischen Arbeiten, bei denen man einfach nur den gleichen Vorgang wiederholt, ohne viel denken zu müssen, wie Z.B. Fließband-Arbeit, spornen Belohnungen an.

„Wenn-Dann-Belohungen funktionieren wirklich gut für die Arten von Aufgaben, bei denen es ein einfaches Regelwerk und ein klares Ziel gibt. Belohnungen begrenzen naturgemäß unser Blickfeld, konzentrieren unsere Gedanken. Deshalb funktionieren sie in so vielen Fällen. Für Aufgaben wie diese also funktioniert ein begrenztes Blickfeld, bei dem man nur das Ziel vor Augen hat und es geradewegs fokussiert, wirklich gut.“ – sagt er.

Bei kreativen Aufgaben, Problemlösungen, richtiger Denkarbeit, sind Belohnungen kontraproduktiv, sie hindern einen sogar daran, besser zu denken.

„Die Lösung liegt nicht auf der Hand. Die Lösung ist im Umfeld. Man sollte sich umsehen. Diese Belohnung begrenzt tatsächlich unser Blickfeld und beschränkt unsere Möglichkeiten.“ – so San Pink.

Könnt ihr etwas damit anfangen? Und wie geht ihr mit dem Thema Belohnungen um?

Liebe Grüße,

Béa

Titelbild: Patrick Fore on Unsplash

 

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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4 Kommentare

Jessica
Antworten 27. Mai 2020

Hallo Beà,
da trifft einiges auf meinen Sohn zu. Nur dass er sich eben noch nie hat belohnen lassen! Oft hab ich an eine Belihnungstafel gedacht und schon früh hat er gesagt, dass er da nicht mit macht. Heute sagt er selbst es ist Bestechung. Wollte ihm für jede Reihe ( mal Rechnen) etwas Geld geben.
Was hab ich denn sonst falsch gemacht ??? 😫

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