„Hast du schon das ausprobiert?“ – Warum wir erst um Consent bitten sollten, bevor wir ungefragt gesundheitliche Ratschläge geben
Wenn wir körperliche Beschwerden haben, ist es schön, Leute zu haben, die sich sorgen und sich um einen kümmern. Allerdings kann es auch schnell nervig werden, wenn diese Personen ungefragt ihren Senf geben und sich als Experten aufspielen. In diesem Beitrag erfahrt ihr, warum es wichtig ist, bei Ratschlägen erst um Consent zu bitten.
Anmerkung Béa: Es wird euch vielleicht etwas Denglisch vorkommen, dass Mounia hier von „Consent“ statt Einverständnis redet. Ich habe kurz überlegt, ob ich das ändere – und mit einigen Jugendlichen gesprochen. Der Begriff „Consent“ ist durchaus etabliert, wir machen damit weiter.
Kennt ihr das auch? Ihr erzählt von ziemlich heftigen Bauchschmerzen und plötzlich erschlägt euch euer Umfeld mit einer Vielzahl Diagnosen und Tipps?
„Das ist bestimmt eine Glutenintoleranz. Check mal deine Histamin-Unverträglichkeit. Könnte es eine Allergie sein? Versuch mal Leinsamen! Mein Sohn hatte die gleichen Symptome und dann war es nur Stress! Hast du schon eine Magenspiegelung gemacht? Kennst du dich mit Psychosomatik aus?“
Euer Gegenüber meint es nur gut und will helfen. Das ist toll und einfühlsam, aber deshalb nicht immer respektvoll.
Ich habe nun seit fast zehn Jahren einen chronischen Reizdarm und war bei etlichen Ärzt:innen, habe etliche Tests durchgeführt, etliche Medikamente ausprobiert, Magen- und Darmspiegelungen gemacht, Blut- und Stuhlproben eingeschickt, und Ultraschalltests durchgeführt. Zehn Jahre später weiß ich noch immer nicht, was ich habe, ob es eine Allergie ist oder eine Unverträglichkeit, ob Stress oder was ganz anderes. Und glaubt mir, ich kenne jeden noch so kleinen Tipp, habe wirklich alles versucht.
Dennoch führe ich immer dieselben Gespräche. Und das ist auf Dauer nicht nur anstrengend, sondern auch beängstigend und tut mir nicht gut. Ich rede nicht gern über diese Beschwerden, weil sie sehr schnell negative Erfahrungen aus meinem Bewusstsein hervorgraben, und schlimmer werden, wenn ich ohne eine kleine Warnung daran erinnert werde.
Und genau aus diesem Grund ist es wichtig, um Erlaubnis zu bitten, bevor wir anderen ungefragte Ratschläge geben.
Vielleicht werden die ein oder anderen von euch die Augen verdrehen. Erlaubnis! Müssen wir heutzutage wirklich bei allem vorher nachfragen?
Ja. Ich finde schon. Denn bei einer gesunden Kommunikation ist es wichtig, Grenzen zu respektieren und dafür zu sorgen, dass es allen Beteiligten gut geht. Das bedeutet nicht, dass wir uns „ernsten“ Themen ganz und gar verschließen sollen, sondern lediglich vorher nachfragen. Sogar, wenn es um einen einfachen Tipp geht. Tun wir das nicht, verletzen wir womöglich andere und verlieren noch dazu das Vertrauen.
Und versteht mich bitte nicht falsch! Es geht nicht darum, bei anderen nachzufragen – in diesem Beitrag schreibe ich darüber, warum ich Nachfragen sehr wichtig finde. Mir ist es nur wichtig, vorher nach Erlaubnis zu fragen.
Hier sind drei kleine Tipps, wie ihr den Wunsch nach Consent freundlich kommunizieren könnt:
1. Klare Grenzen äußern
Sprecht offen und respektvoll mit euren Freunden und Verwandten: Erklärt ihnen, dass ihr ihre Sorgen und ihre Unterstützung schätzt, aber dass es euch jedoch lieber wäre, wenn sie um Consent bitten, bevor sie Ratschläge geben.
2. Gebt ehrliches Feedback
Wenn euch jemand ungefragt Ratschläge gibt, könnt ihr höflich sagen: „Danke, dass du dir Sorgen machst, aber ich würde lieber selbst entscheiden, was ich ausprobiere.“ Oder auch: „Ich weiß, du meinst es nur gut, aber fühle mich unwohl, wenn du mir ungefragt Ratschläge gibst.“
3. Redet darüber, was ihr euch eigentlich wünscht
Gebt euren Liebsten Anregungen, wie sie euch dennoch unterstützen können, und das ganz ohne Tipps oder Ratschläge. Zum Beispiel, indem sie euch einfach nur zuhören, eine Wärmeflasche machen oder euch zu Terminen begleiten. Wenn wir helfen wollen, können wir dies auch ohne Tipps oder Ferndiagnosen tun.
Consent ist nicht passiv-agressiv
Leider besteht der Irrglaube, dass der die Äußerung nach Consent etwas passiv-agressives mit sich bringt. Dem ist nicht so. Wer seine Grenzen äußert, möchte nicht streiten, ist häufig nicht einmal wütend.
Consent ist wichtig
Er zeigt Respekt und Wertschätzung für die Person, die wir unterstützen möchten. Wenn man offen und respektvoll kommuniziert, können Freunde und Verwandte lernen, wie sie am besten helfen können, ohne unangenehm zu sein.
Abschließend noch eine Sache: Wir Menschen sind nicht gleich, was wiederum bedeutet, dass wir alle auch unterschiedliche Dinge brauchen. Während ich mir wünsche, keine ungefragten Tipps zu hören, sind andere womöglich dankbar dafür. Das ist völlig in Ordnung! Doch auch hier ist es wichtig, vorher nachzufragen.
„Ist es okay, wenn ich dir diese ganzen Tipps gebe? Willst du das überhaupt hören? Ich habe von einem ähnlichen Fall gehört, darf ich dir davon erzählen?“
Nicht alle brauchen Consent, aber er ist auch niemals überflüssig!
Was sind eure Gedanken zu dem Thema? Wünscht ihr euch bei Tipps und ungefragten Ratschlägen auch Consent? Oder seid ihr womöglich dankbar für Tipps?
Mehr zum Thema findet ihr hier – kennt ihr schon den Begriff „Trauma Bonding“?
Welche (traumatischen) Themen besser nicht ungefragt mit anderen teilen?
Und hier nochmal der Beitrag zum Thema „Nachfragen“:
„Sei nicht so neugierig!“ – Nachfragen ist nicht immer aufdringlich, sondern manchmal richtig toll!
Außerdem wollen nicht alle zur Begrüßung umarmt werden – auch hier ist Consent toll! <3
Liebe Grüße
Mounia