Wie meine Tochter mein Urvertrauen für sich gewann und nie verloren hat – Gastbeitrag von Carmela Dentice
Ihr habt schon Texte von Carmela Dentice hier im Blog sehr geschätzt (sagen mir eure Kommentare so weit und Google Analytics). Ich habe sie auf Instagram als das_liebeslesen wieder angetroffen, schreibt dort wundervolle Posts… und jetzt hat sie uns allen noch mal einen Text geschenkt.
Es geht ums Vertrauen. Von Kindern. Und von unserem Vertrauen in Kindern.
Ich erinnere mich noch genau an dem Tag, an dem meine Tochter geboren wurde. Aufgrund von Schwangerschaftsdiabetes, sollte ich zu einem bestimmten Zeitpunkt eingeleitet werden und meine Begeisterung hielt sich in Grenzen. Als Schwangere habe ich jedoch gemerkt, dass ich einige Superkräfte erhalten hatte. Beispielsweise meine Organe verschieben, mein Blutvolumen zu erhöhen, meinen Co2-Spiegel zu verringern und ein echtes, neues Leben in mir zu schützen bis es außerhalb von mir lebensfähig ist.
So dürfte es auch niemanden überraschen, dass ich meinem ungeborenen Baby gut zusprach und versuchte, es zu überreden, sich möglichst vor der Einleitung bemerkbar zu machen. Selbstverständlich hatte ich gute und wissenschaftlich fundierte Argumente. So dass meine, bis heute sehr kritische und schwer zu überzeugende Tochter, mir offenbar zustimmte und genau einen Tag vor der geplanten Einleitung geboren wurde.
Ich möchte heute darüber schreiben, wie meine Tochter mein Urvertrauen für sich gewann und nie verloren hat.
Nicht ein einziges Mal in all den Jahren.
Irrtümlicherweise beginne ich an dem Tag ihrer Geburt, dabei wusste ich schon am Tag der Konzeption, dass sie sich auf dem Weg gemacht hatte. Ich kann das mit genauer Sicherheit sagen, weil ich Tagebuch geführt habe. Jedes Jahr, bis heute, schaue ich mir diesen Eintrag an und bin noch immer fasziniert von diesem Wissen, was damals unsichtbar um mich schwirrte. Mein damaliger Partner und ich haben braune Augen und dennoch sagte ich zu ihm, ich hätte von einem blauäugigen Mädchen geträumt, wachen Blickes und tiefen Herzens und auch da sollte ich mich nicht irren.
Meine kleine Tochter wollte mir unverzüglich nach ihrer Geburt nahe sein, sie hörte mein Herz und fühlte sich sicher. Sie hatte fast 39 lange Wochen in mir verbracht und war anfangs sehr irritiert von den Geräuschen, den Gerüchen, der Kälte, dem eigenen Atmen.
Nach und nach öffnete sie den Blick für die Welt und erstaunte jedes Mal aufgrund der Vielfältigkeit des menschlichen Lebens. Sie versuchte sich mir mitzuteilen und ich tat mein Bestes, um ihr zu zuhören, sie zu verstehen und ihr die Welt zu zeigen. Als wir das erste Mal bei meiner Familie waren und mein stimmgewaltiger Onkel zu Besuch kam, weinte sie ganz bitter und ich erinnerte mich daran, wie sie schon im Bauch gezappelt hatte, wenn sie ihn hörte.
Sie hat sehr sensible Sinne und hört, fühlt, schmeckt feiner als die meisten von uns.
In keinem Moment meines Lebens habe ich gedacht, dass sie sich anstellen würde. Dass sie mir etwas vorspielt. Dass sie ihre Grenzen austesten wollte. Denn ihre Bedürfnisse waren immer echt.
In meinem Leben habe ich versucht, mir bewusst zu machen, dass Menschen nur mit dem Werkzeug arbeiten können, dass sie haben. Natürlich können sie dazulernen. Ein Baby, ein Kleinkind, ein Teenager… jeder von ihnen lernt immens viel dazu. Doch es ist wichtig, die jeweiligen Etappen unserer Kinder zu verstehen. Zu sehen, dass sie zu einigen Reflexionen und Gedankengängen einfach noch nicht in der Lage sind und ihnen bei Irritationen und Gefühlsschwankungen mit Liebe und Verständnis zu begegnen.
Bis heute glaube ich an das Beste in den Menschen. Denn nur so können sie sich verwandeln, nur so können sie sich selbst anders betrachten lernen indem von außen etwas gespiegelt wird, was sie vielleicht selbst nicht mehr sehen können.
Wenn wir Verständnis haben für die Gefühlslage der anderen, wenn wir uns in sie hineinversetzen oder auch hinunterbeugen, um die Welt aus ihrer Augenhöhe zu betrachten, dann erschaffen wir damit einen sicheren Raum. Ein Raum, in dem all diese Gefühle Platz haben sich auszutoben, sich zu sammeln und ihren Platz zu finden.
Wenn wir in unserer eigenen Kindheit diese Erfahrung nicht gemacht haben, fällt es uns schwer einen Raum anzubieten den wir nicht kennen. Doch uns wird kein zweiter Mensch in unserem Leben so viel Glauben schenken, wie unser eigenes Kind dass durch uns die allerersten Definitionen der Liebe und des Vertrauens erhält, das Fundament für die Zukunft dieser Werte.
Ich glaube fest daran, dass wenn dies gelingt, mein Kind auch den Mut und das Vertrauen in sich selbst findet aufrecht und unerschütterlich, in allen Stürmen des Lebens dazustehen. Weil es weiß, dass es so geliebt wird, wie es ist.
Eure Carmela,
auf Instagram: das_liebeslesen
P.S. von Béa.Und wie ist das bei euren Kindern, liebe Leserinnen?
Und: Vielen Dank, liebe Carmela, für deine wunderbaren Gedanken!
Wie gesagt, auf Instagram gibt’s mehr von ihr:
- 29. May 2020
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