Meine Tochter darf Wut und Liebe vereinen – Gastbeitrag von Carmela Dentice


Als wir neulich den Beitrag von Marlene Hellene über Wut gebracht haben, meldet sich Leserin Carmela Dentice mit einem Kommentar, der uns so bewegt hat, dass wir ihn hier als Gastbeitrag festhalten wollen.

Ab hier schreibt Carmela:

Mein größter Wunsch als Mutter, war immer der dass sich meine Tochter bedingungslos geliebt fühlt. Was bedeutet das eigentlich?

Ich knüpfe meine Liebe nicht an Bedingungen.

Es war und ist mir wichtig, dass meine Tochter weiß, dass sie sie selbst sein kann, dass sie mal wütend sein darf, mal traurig, mal grummelig, mal laut, mal leise, mal schnippisch, mal fordernd… Überfordert mit der Fülle an Gefühlen, die ein temperamentvolles, ein sensibles Kind haben kann.
(selbstverständlich ohne sich selbst oder anderen weh zu tun…)

Ich weiß wie es ist, nicht das Werkzeug zu haben um diese Gefühle zu regulieren: Ich war ein hochsensibles Kind und bin bis heute eine hochsensible Erwachsene.

Das bedeutet nicht, eine Prinzessin auf der Erbse zu sein sondern eben eine sehr feine Wahrnehmung für vielerlei Dinge zu haben, wie z.B. Gerüche, Stoffe, Stimmung der Umgebung etc. Wenn man nicht lernt sich abzugrenzen oder sich abgrenzen zu dürfen, dann kann dies einen oft ganz schön übermannen und man leidet sehr mit anderen mit und fügt sich selbst Leid zu.
(Ich übe übrigens bis heute noch :D)

Vor einigen Tagen las ich meiner Tochter eine Geschichte vor, in der eine weiße (gute) und eine schwarze (böse) Hexe vorkam. Ihre Augen leuchteten, denn sie war vollkommen hin und weg von den unglaublichen Fähigkeiten der beiden und es dauerte nicht lange bis sie eine der Szenen nachspielen wollte.

Ich fragte sie: „Na, welche möchtest du denn sein?“
Sie sagte mit einem verschmitzten Lächeln: „Beide!“
„Beide?“, sagte ich… „Wie kommt denn das?“

Sie sagte mir, dass ich ihr selbst einmal erklärt habe, dass alle Menschen Gut und Böse in sich tragen und man am meisten zaubern kann, wenn beide Seiten da sein dürfen und keine Angst hat, vor der Wut die man manchmal verspürt.

Zu oft, mussten wir in unserem Leben brav sein und stumm lächeln, mussten wir unseren Frust runterschlucken, mussten wir Harmonie um jeden Preis erfahren, mussten es ertragen, dass einige Menschen schlecht mit uns umspringen weil wir von klein auf abtrainiert bekommen haben für unsere eigenen Bedürfnisse einzustehen, für unsere eigenen Grenzen.

Zu oft wird einem eingeredet, dass man nicht wütend sein darf wenn man Friede spüren möchte, „erleuchtet“ sein will, entspannt.

Zu oft mussten wir Bedingungen erfüllen, aus Angst Liebe und Zuneigung zu verlieren.
Zu lange dachten wir, das sei die Norm.

Entspannen heißt aber eben auch, sich aus der Spannung zu arbeiten, zu verstehen, was uns die Wut sagen möchte, sie einzuladen in unser Haus und sie bitten, sich mit uns hinzusetzen und zu reden. Denn verschließen wir ihr die Tür, wird sie versuchen sich mit Gewalt einen Weg zu bahnen und ziemlich viel Mist in unserem inneren Haus anstellen.

Ich bin dankbar, dass meine Tochter weiß, dass sie für mich besonders magisch ist, wenn sie authentisch ist, wenn sie SIE ist und mich überglücklich anlächelt, weil sie weiß dass sie es sein darf mit all ihren Facetten.

Eure

Carmela

P.S. Ihr habt auch schöne und gute Gedanken, die ihr mit der Welt teilen wollt?
Meldet euch bei uns, wir freuen uns, tolla Texte zu veröffentlichen.

Titelbild: Photo by Bekah Russom on Unsplash

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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