Loben für Fortgeschrittene – wie geht „richtiges“ Loben?


Diese Woche ist mir das Thema „richtiges Loben für Kinder“ mehrfach begegnet. Ellen von Chez Mama Poule (eigentlich Französisch für Glucken-Mama) hat diese Woche eine spannende Anregung geteilt:

 

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Das Thema „Nicht-Loben“ wird hier gerade rege diskutiert (vgl. bisherige Posts). Es erreichten mich auch einige (verunsicherte) DMs, deshalb ein paar Gedanken dazu: Ich finde, dass hier – wie bei so vielen anderen Elternthemen – das magische Wort „authentisch“ gilt. Zu manchen Elternteilen mag das „Gar-nicht-loben“ vielleicht passen, zu anderen vielleicht nur teilweise. Alles voll okay <3 Für mich persönlich war es anfangs recht komisch, so zu reden. Da ich „Gut gemacht!“ und „Bravo!“ einfach intus hatte. Mittlerweile ist es aber ganz natürlich. Ich sehe diese „neue“ Sprache tatsächlich als eine Begegnung auf Augenhöhe mit meinen Kindern. Denn es ist eine wertschätzende, da eben wertfreie Kommunikation. Dadurch hab ich gelernt, auf meine Sprache zu achten. Etwas mehr zu präzisieren. Wirkliche Aufmerksamkeit schenken, statt mit einem kurzen „Suuuper!“ rasch abhandeln. Etwas weniger „von oben herab“ zu bewerten. Denn wer bestimmt schon, was schön ist und was nicht? Was lässt sich also statt „Das ist aber ein schönes Bild!“ sagen? Ein paar Lobalternativen findet ihr auf diesem Spickzettel. Natürlich gibt es hier kein Patentrezept: seine „Sätze“ findet jedes Elternteil für sich heraus, in dem es in Beziehung und im Gespräch mit seinem Kind bleibt. Ihr könnt den Spickzettel gerne screenshoten, speichern, teilen, gedanklich ausdrucken und an den Kühlschrank hängen ;- ) was auch immer. Und nun meine Fragen an euch: Welche Lobalternativen sind bei euch üblich bzw. kommen euch ganz natürlich über die Lippen? Könnt ihr mit meinen Beispielssätzen etwas anfangen? Und: Sind solche Aufstellungen hilfreich?

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Ich habe das bei Facebook geteilt und eine rege Diskussion angestoßen. Danach habe ich mir weitere Gedanken dazu gemacht und etwas recherchiert.

1. Lob tut gut – und macht süchtig.

Ich werde gern gelobt, ihr nicht? Wenn ihr euch meldet und uns sagt, dass ihr unsere Beiträge wertschätzt, dass ihr gern die Kindersprüche lest und euch das den Sonntagabend versüßt, oder wenn uns gar jemand sagt, dass das Wissen, was wir hier verbreitet haben möglicherweise ein Leben gerettet hat: Wow! Dann tut das gut! Das spornt uns an!

„Neurobiologische Studien zeigen, dass nichts das Motivationssystem so sehr aktiviert, wie von anderen gesehen und sozial anerkannt zu werden“, sagt Joachim Bauer, Medizinprofessor aus Freiburg, der seit Jahren den Wunsch nach Anerkennung erforscht.

Er erklärt auch warum: Für unsere Urahnen war es überlebensnotwendig zur Gemeinschaft dazuzugehören. Wer ausgeschlossen war, wurde schnell zum Mammutfutter oder erfror außerhalb der wärmenden Höhlen. Heute haben wir nicht mehr diese Probleme, aber Menschen verkümmern in der Isolation und Kommunikationslosigkeit. Gesehen und angenommen werden, gutes Feedback, Lob – all das versorgt uns mit guten Gefühlen und Motivation.

Super? Naja: In der Mitte unseres Gehirn gibt es eine Struktur, deren Nervenzellen den Botenstoff Dopamin ausschütten. Wenn wir Anerkennung verspüren und Lob erhalten, feuern wir diese Nervenzellen an. Ergebnis: Ein gutes Gefühl, wir fühlen und glücklich und stark. Dieser Ort ist aber leider genau der, auch für Suchtverhalten zuständig ist…

Ist das schlimm, frage ich mich? Ich finde, dass die Sucht-Keule zu oft im Raum mitschwingt. Was ist schlimm daran, nach Anerkennung zu lechzen? Antwort: Es kommt auf die Form der Anerkennung an. Status, Schleimereien, viel Geld – ist das wirklich erstrebenswert? In Maßen! Was ist aber mit Liebe und Geborgenheit? Gibt es jemals ein Zuviel davon?

Aha. Auf die Liebe kommt es an…

2. Es gibt was Besseres als Lob: Liebe!

Zum Thema „bedingungslose Liebe“ muss ich nicht viel predigen, oder? Im Zusammenhang mit Lob sehe ich da nur folgenden Unterschied: Wenn das Loben der unterschwelliger Ausdruck einer „Wenn-Dann“-Bedingung ist,  ist er nicht so viel Wert wie der Ausdruck von Liebe und „ich sehe dich“.

Wenn bei Kindern Lob in der Form von Kontrolle und Manipulation kommt, also „Ich habe dich nur lieb, wenn du das machst / das lässt / so drauf bist, etc.“ dann richtet er womöglich mehr Schaden an.

Wenn bei Kindern Lob Ausdruck von Liebe, echte Freude über ihr Dasein und So-Sein, dann nur zu!

Eigentlich klar. Aber was ist jetzt mit dem ganzen „Super!“ oder „Toll gemacht!“? In welche Kategorie fällt das? Liebe oder Kontrolle? Nicht so ganz klar, oder?

3. Wegloben

Mal Hand aufs Herz, es gibt auch mal die Situation, wenn wir eigentlich nicht gestört werden wollen. Wenn wir ein Gespräch weiterführen wollen, oder was lesen, oder einfach keinen Bock auf einer zermanschten Sandkuchen oder auf das Krikelkrakel Kunstwerk haben… Wenn wir einfach nur menschlich müde und ausgelaugt sind. Aus lauter Liebe sagen wir da nicht: „Dein Sandkuchen interessiert mich nicht die Bohne!“ oder „Ja, Kritzekrakel, zum 1.000 Mal.“, sondern: „Super!“, „Toll gemacht!“ und so.

Ist das jetzt schlimm?

Ich meine es ist genauso schlimm wie wenn wir keinen Bock auf Gesundes haben und uns einfach mal ’nen Burger gönnen. Es kommt auf das Maß an. Ein Kind mit einem großen Liebesreservoir kann es ab mit einem Halt-den-Mund-und-spiel-weiter-Lob klarzukommen.

Sollte nur nicht zu oft vorkommen. Denn zur Liebe gehört auch ungeteilte Aufmerksamkeit. Und Achtsamkeit. Und Zeit nehmen.

4. Gutes Loben

Jetzt sagen aber die Ratgeber, dass man aus lauter Liebe auch Fehler machen kann.

Ach ja, die Ratgeber. Wir waren uns schonmal einig, dass das Bauchgefühl  besser als Erziehungsratgeber ist. Aber so doof ist es wiederum nicht, sich auch als Eltern weiterzubilden…Ratgeber nutze ich selbst eher als Inspiration, nicht als Gesetzbuch. Wie Kochbücher eigentlich auch: Durchblättern, Interessantes merken, eigenes Süppchen kochen.

Hier einige Tipps gemischt mit meiner Erfahrung dazu:

Ein authentisches „Wow!“ oder gar „Geil!“ wenn uns etwas richtig gut gefällt und wir uns echt freuen. Spürt jedes Kind.

Mitfreuen und Spiegeln. Wie oben angeregt, eine Beobachtung mitteilen und das mit den eigenen Gefühlen verbinden: „Ich sehe, wie vertieft du in dein Bild bist. Mir macht es Spaß, zuzusehen!“

Lob stehen lassen und nicht mit einem „Aber!“ kaputt machen oder wenigstens ein „und“ verwenden, wie  schon mindfulsun gebloggt hat. 

Sich bedanken ist eine wunderbare Anerkennung. „Du hast toll aufgeräumt!“ kann zu „Danke, dass du aufgeräumt hast, ich fühle mich echt entlastet.“ umgestellt werden.

Verallgemeinerung runterfahren. Statt: „Super, wie du immer teilst!“ zu „Ich merke, dass sich das Mädchen richtig gefreut hat, dass du mit ihr deine Erdbeeren geteilt hast!“

Achtung mit Schubladendenken: Statt „Oh, du bist so intelligent!“ lieber spezifisch eine Frage stellen: „Sag mal, kann es sein, dass du ein fotografisches Gedächtnis hast? Mir fällt auf, wie korrekt du ganz neue und komplizierte Worte auf Französisch schreibst!“

Überhaupt kann man mit Fragen eine echte Unterhaltung führen. Das zeigt echtes Interesse.

Und ansonsten… einfach mal selbst nachdenken und das eigenen Bauchgefühl bemühen. Eine Lehrerin hat bei dem Beitrag s.o. folgendes kommentiert, trifft für mich den Nagel auf den Kopf:

„Als Lehrerin habe ich nämlich schon öfter erlebt, dass es Kinder gibt, die für jedes ausgefüllte Arbeitsblatt, für jeden Papierschnipsel, den sie in die Mülltonne geworfen haben, für jeden Purzelbaum gelobt werden wollen. Ich kannte die Familien dahinter und wusste, dass die Kinder zu Hause definitiv auch gelobt und beachtet werden, es konnte also nicht an einem Mangel liegen. Dieses Konzept des Nicht- bzw Weniger-Lobens hat mir die Zusammenhänge klar gemacht. Manche Kinder sind regelrecht süchtig nach Lob und haben dabei eine solche Angst zu scheitern und kein Lob zu erhalten, dass sie sich an neue, unbekannte Aufgaben gar nicht mehr herantrauen. Wie so oft – alles eine Frage eines gesunden Mittelweges!“

Und jetzt hätte ich gern eine Runde richtiges Loben für diesen umfassenden und unglaublich schlauen Beitrag… 😉

Liebe Grüße,

Béa

P.S. Ich kann mir partout nicht merken, ob es der oder das Lob ist. Deswegen rede ich gern von: Das Loben! 

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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