Politik im Familienblog – wir schauen nicht passiv zu!


Liebe Freunde der gepflegten Unterhaltung! Was ist nur wieder los in Deutschland und in diesem Netz? 

Lange, sehr lange habe ich mit mir gerungen, ob ich einen Text zum aktuellen Thema schreiben soll. Denn normalerweise halten sich Familienblogs wie unserer eher politisch zurück. Mit Vorliebe bringen wir Waffelrezepte, ThemenGeburtstagsIdeen oder Häkelanleitungen (Und das ist auch OK so, das gehört zum Leben!). Noch „heiler“ ist es bei Instagram, dort erzielen cleane, farblich abgestimmte Fotos die höchste Aufmerksamkeit.

Das ist doch merkwürdig – findet ihr nicht auch?

Möchte der Bild- und Textkonsument also bespaßt werden, wunderbare oder ganz sensationelle Familiengeschichten lesen und in ferne Länder entführt werden? Aber hier auch bitte nicht zu oft und zu luxuriös, dann kommt wieder der Neidhammel um die Ecke.

Ihr merkt schon, ich bin gespannt, wie ein Flitzebogen und muss den ganzen aufgestauten Worten hier und jetzt freien Lauf lassen…

Denn: Ein Mensch wurde ermordet. Das ist tragisch und so etwas sollte nicht vorkommen.

Hierfür gibt es aber in einem Rechtsstaat, wie wir ihn in Deutschland haben, viele Mittel, um den oder die Mörder zu bestrafen. Punkt!

Was in den vergangenen Tagen in Chemnitz passiert ist, wurde zur Genüge in vielerlei Texten und Talk-Shows eingehend besprochen. Hier ist auch so ziemlich jedes Wort gesagt worden. Punkt!

Mich stört an den vergangenen Tagen und Stunden aber eines ganz gehörig!

Bei ca. 250.000 Einwohnern in Chemnitz kamen nur maximal 3.000 Leute zusammen, um sich gegen die braunen Pappnasen, oder wie sie Herr Augstein treffend benannte Pimmel mit Ohren – allerdings Pimmel mit Sonnenbrillen stellten.

Wie kann denn so ein Missverhältnis entstehen? Wo waren denn all die Chemnitzer, die auch DAGEGEN sind?

Haben sie vorm TV und Radio und Internetz den Newsticker angeschaut? Oder dachten sie gar: „Ach, das ist alles soweit weg, das interessiert mich nicht!“ ?
Eins ist sicher, dass nur ein ganz kleiner Bruchteil Einwohner Chemnitz‘ ist, der Rest war ein mobilisierter Mob von Knallköpfen aus anderen Städten, gar Bundesländern. Diese konnten nämlich ganz schnell, innerhalb weniger Stunden mobilisiert werden. Die Netzwerke haben also prima für diese Seite funktioniert.

Warum bitte brauchen die Leute in Chemnitz eine Veranstaltung, in der deutschlandweit am 3. September zum Kommen nach Chemnitz aufgerufen wird und Sympathie bekundet werden soll?

Mit einer bunten Mischung bekannter Musiker der Anreiz verstärkt wird? Für 100 Busse zusätzlich Parkfläche frei gemacht wird?

Ich finde die Situation der Passivität der Einwohner noch viel bedrückender, als die zig tausend Knallköpfe ohne Hals, die sich dem demokratischen Grundgedanken Deutschlands entgegen setzen, Menschen durch die Stadt jagen und zudem noch mit weißen Rosen am Revers Trauer für einen Menschen bekunden, der sich niemals in ihre Reihen begeben hätte!

Genau diese Passivität ist es, die mich wirklich sauer werden lässt.

Die ich hinterfrage, die ich verstehen möchte und in derart Situation ich niemals kommen möchte.

Und es gibt noch ein ganz nahes Beispiel der gelebten Passivität in diesen Tagen.

Deutschlandweit wurde und wird zur so genannten „Wir sind mehr Fenster-Demo“ aufgerufen. Man sollte einfach Hashtag „Wir sind mehr“ ins Fenster kleben und so Sympathie für ein buntes Deutschland bekunden.

Hier mein Beitrag:

Nun laufe ich durch den PrenzlauerBerg und sehe nichts an den Fenstern, kein Banner, keine Zettel mit dem Hashtag. Nichts! Nirgends! Wo hingegen mir bei Facebook sehr viele geänderte Profilfotos ins Auge springen. Im Internet bezeugen die Leute also ihre Sympathie. Aber warum nicht an ihren Fenstern?

Im Laufe des Montags haben mich einige Instagram-Follower angeschrieben, die sich auch gern an der Fenster-Demo beteiligen wollen, es sich aber nicht trauen und passiv bleiben, eben WEIL sie in kleinen Gemeinden wohnen. In denen bekannte, gewaltbereite – ich zitiere wieder, weil ich diese Bezeichnung leider sehr treffend finde – „Pimmel mit Ohren“ leben und sie Angst um ihre Familie hätten.

Nun kann ich hier von meinem heilen PrenzlauerBerg ja große Sprüche klopfen, dass wir alle mehr miteinander leben sollten, leben und leben lassen sollten, wir das schon schaffen. Für mich ist das ganz einfach zu sagen. Auch habe ich keine Scheu, ins Fenster mein Verständnis von Demokratie zu kleben. Oder in der Kita bei Bemerkungen gegen die Hautfarbe kleiner Schlümpfe den Mund auf zu machen.

Für eine Vielzahl der Leser ist das de facto leider nicht so einfach. Für das Familienwohl müssen sie passiv bleiben. Was ich sehr erschreckend und traurig finde. Traurig nicht für die Familien, sondern traurig um die Tatsache der Angst.

Aber Angst hat nur ein Einzelner, jemand, der von einer Mehrzahl umzingelt ist.

Also muss schon dem kleinsten Ansatz eines gemeinen Spruches im Sport- oder Feuerwehrverein oder am Stammtisch Einhalt geboten werden. Es muss bereits im Elternhaus klare Regeln der Kommunikation geben, z.B. dass jeder Mensch gleich ist (GG Art 3 (3)) und auch dass jeder Mensch willkommen ist!

Wir leben nun einmal auf einer Welt, in der es uns hier im demokratischen Deutschland extrem gut geht. An unserem Wohlstand wollen ärmere Völker selbstverständlich teilhaben. Unser Grundgesetz basiert auf christlichen Werten und Regeln.

Denkt mal darüber nach – gern auch laut und in Schriftform.

Wenn ihr nicht wisst, wie ihr mit euren Kids über derlei Themen sprechen sollt, fragt uns gern, wir versuchen euch zu helfen. Und haben auch schon einen Beitrag zu diesem Thema verfasst.

Alles Liebe,

Eure Yvonne und die Tollabea-Redaktion

Kleine Anmerkung: Ich finde es sehr wichtig, dass hier auch über brennende Themen geschrieben wird. Themen, die uns und unsere Kinder aktuell bedrücken. Umso erschreckender fand ich die vergangenen Tage, dass sich nur wenige Familien- und Mamablogger zu diesem wichtigen Thema äußern. Es wurden auch am Abend des Konzertes weiter nach Plan Bilder gepostet, die nichts mit der aktuellen Situation zutun hatten, die Friede, Freude, Pustekuchen gezeigt haben – so, wie es der Konsument gern hätte, um sich fern der Realität zu träumen. 

Yvonne Petzke
About me

Berliner Mom of 3 * zert. PersonalTrainer * Laufcoach * Beckenbodenkursleiter (M/W) * * noch mehr Sport-/ BewegungsThemen und Persönliches über mich und mein Leben auch als UltraLäuferin findet ihr auf Instagram unter @yvonnepetzke

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2 Kommentare

Julia
Antworten 6. September 2018

"Aber Angst hat nur ein Einzelner, jemand, der von einer Mehrzahl umzingelt ist."
Das ist meiner Meinung nach falsch. Um Terror zu verbreiten reichen ein-zwei Personen, da braucht es keine Mehrzahl. Und selbst wenn alle wissen, wer das ist: solange man diese ein-zwei gewaltbereiten Typen nicht juristisch einwandfrei überführen und wegsperren kann, können sie ein ganzes Dorf in Angst und Schrecken versetzen. Terror funktioniert eben genau dadurch, dass sich eine grosse Mehrheit von der Angst lähmen lässt. Und verhindern, dass es in vielen Dörfern ein-zwei Idioten gibt, die diese Rolle dankbar annehmen, ist leider sehr schwer.

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