„Was gibt es denn daran nicht zu verstehen? Kannst du nicht lesen?“


Liebe Leserschaft, seid ihr schon auf 180 wegen der Überschrift? Hm… Lasst uns mal zusammen darüber nachdenken. Als ich irgendwann zu meiner Tochter so etwas sagte wie: „Ich habe dir das schon TAUSEND MAL gesagt und du verstehst es immer noch nicht?“ dachte ich im gleichen Augenblick, aus meinem Mund sprechen mindestens 20 Verwandte und 40 LehrerInnen…

Wie gut, dass unsere Kolumnistin mindfulsun sich dieses Kommunikationsverhaltens angenommen hat.
Ich finde das hilfreich.

Warum ich jetzt achtsamer mit Sprache umgehe – auch mit meinen Söhnen – darüber habe ich schon einige Male geschrieben. Heute möchte ich gern an einigen Sätzen zeigen, wie es sich auswirken kann, wenn ich auf Sprache achte.

„Hast du mich verstanden?“

Diese Frage habe ich oft gestellt, wenn ich etwas von meinen Kindern wollte. Und meistens folgte ein „Ja“ oder ein „nicken“ und dann wurde trotzdem etwas anderes gemacht.
Mich hat das frustriert. Ich war schließlich der Meinung, ich habe klar und deutlich kommuniziert, was ich möchte. Und hier lag mein erster Fehler: Ich kann der Meinung sein, was ich als Sender kommuniziere, ist eindeutig und es ist eben nicht immer der Fall! Oft genug habe ich dann genau das gleiche noch mal wiederholt, natürlich mit dem selben Ergebnis. Spätestens hier hätte es mir auffallen müssen: Ich habe mich nicht verständlich machen können. Und oft genug reagierte ich dann verärgert. Und zwar nicht mit mir, sondern mit den Kindern.

Was es viel einfacher gemacht hätte? Die einfache Bitte: Kannst du bitte wiederholen, was du verstanden hast? Hier hätte ich ja gemerkt, wo der Haken ist.

Auch unter Erwachsenen ist das sehr oft ein Problem. Dieses frustrierte: Du hast mich nicht verstanden! Du hast mir nicht richtig zugehört!
Natürlich möchte ich verstanden werden und ich möchte andere Menschen verstehen. Wenn ich mit jemandem kommuniziere und ich merke, es kommt nicht an: „Vielleicht habe ich mich nicht verständlich ausgedrückt? Mir liegt es am Herzen, dass wir das klären. Ich versuche es noch mal mit anderen Worten.“ Hier gibt es viele Möglichkeiten, es anders zu formulieren. Sofort auf den anderen Menschen zu zeigen und ihm zu signalisieren: „Du verstehst mich einfach nicht, es liegt nur an dir!“ – kommt für mich nicht mehr in Frage.

„Du bist schon wieder zu spät!“

Oder auch gerne ein: „Ich bin sauer, weil du zu spät bist!“ und oft genug habe ich das nicht mal gesagt, sondern nur gezeigt.
Heute kommt für mich zuerst die Frage und hier achte ich auch auf meinen Tonfall: „Warum bist du zu spät?“ Denn es kann vielfältige Gründe geben. Und je nachdem kann ich dann ein: „Ich bin enttäuscht, wir hatten eine Vereinbarung. Ich möchte dich bitten, dich daran zu halten.“ formulieren oder eben verständnisvoll reagieren, wenn es einen wichtigen Grund gibt. Möglich ist auch ein „Ich bin besorgt, wenn du nicht pünktlich zu Hause bist. Kannst du bitte mehr darauf achten.“ Denn das ist auch, was ich empfinde.

An dieser Stelle: Gerade mit meinen Jungs ist es mir wichtig verbal zu kommunizieren! Non-verbal einfach sauer oder enttäuscht zu sein, geht für mich überhaupt nicht mehr. Das verunsichert nur und schafft keine vertrauensvolle Atmosphäre. „Der andere Mensch wird schon merken, was er falsch gemacht hat.“ Das gehört für mich in die Vergangenheit. Denn eigentlich hat der andere Mensch (auch manchmal mein Kind) nicht in jedem Fall etwas falsch gemacht, sondern meine Erwartungen wurden nicht erfüllt.

Für mich ist es viel wertvoller auch Enttäuschungen auszusprechen: Was fühle ich? – verbunden mit: Was wünsche ich mir? Anstatt es in mich reinzufressen oder darauf zu warten, dass mein Gegenüber Gedanken lesen kann.

„Du bist unverschämt!“

Natürlich testen Kinder ihre Grenzen und manche Dinge, die meine Söhne zu mir sagen, tun mir auch weh. Hier versuche ich jetzt auch, bei mir zu bleiben. „Das, was du gesagt hast, hat mich verletzt.“

Noch ein Beispiel:

„Ich habe dir gesagt, du sollst den Geschirrspüler ausräumen. Und du hast es immer noch nicht gemacht!“

Brachte immer die volle Punktzahl – nämlich Frust auf beiden Seiten, schnippische Antworten und am Ende wurde es mit langem Gesicht erledigt. Beim nächsten Mal begann das gleiche Szenario natürlich wieder von vorn. Ein „Mir ist es wichtig, dass ihr mich im Haushalt unterstützt. Und ich wünsche mir, dass der Geschirrspüler am Abend ausgeräumt wird, weil ich mich morgens mit dem Chaos in der Küche nicht wohl fühle.“ ist für mich die richtige Botschaft. Denn darum geht es mir ja. Ich fühlte mich nicht wohl und habe mir Unterstützung gewünscht. Anstatt also zu betonen, was sie alles nicht machen und das noch mit saurem Ton, spreche ich heute lieber Wünsche und Bitten aus. Und ich sage auch, warum ich mir das wünsche.

Natürlich ist hier nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen und ich falle auch manchmal zurück in alte Kommunikationsmuster. Mir ist es sehr wichtig, das zu bemerken!

Wenn ich diese Aussage aus dem Titel nehme und euch frage, wie empfindet ihr das:
„Was gibt es denn daran nicht zu verstehen? Kannst du nicht lesen?“

Fallen euch dann noch andere Beispiele aus der Kommunikation mit euren Kindern ein, die ihr verändert habt oder zukünftig ändern möchtet?

Eure mindfulsun

P.S. von Béa: Und das ist zum Erinnern und Pinnen auf Pinterest:

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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