Wie wir Scham mit (Selbst)mitgefühl begegnen können – wichtig für unsere Kinder!


Nur Menschen ohne Empathie und die Fähigkeit zur Verbindung haben kein Schamgefühl – sagt Brené Brown, eine der bekanntesten Sozialarbeiterinnen in den USA, in ihrem berühmten TED Talk (siehe Ende des Beitrags). Unsere Kolumnistin mindfulsun hat sich Gedanken zum Thema Scham und Selbstmitgefühl gemacht – gerade auch im Zusammenhang mit Kindern.

„Schämst Du Dich nicht?!“

Ich spreche hier nicht von der Scham, nackt am Strand zu liegen. Ich spreche von Scham für Fehler, Scham für Dinge, die wir getan haben, die uns zugestoßen sind. Scham, die isoliert und uns runter zieht. Ich spreche auch nicht von Schuld.

Schuld und Scham haben einen großen Unterschied:

Schuld bezieht sich auf Verhalten. „Ich habe etwas Schlechtes getan, ich habe einen Fehler gemacht.“
Scham hingegen bewirkt, dass wir uns als Person infrage stellen, was unser Selbstwertgefühl angreift:„Ich bin schlecht, ich bin der Fehler. Ich bin nicht gut genug.“.
Scham macht, dass wir denken, wir verdienen es tatsächlich, dass wir uns so fühlen.

Scham ist toxisch. Wir sind einsam mit dem Gefühl der Scham und verstecken es.

Aber ist Scham nicht etwas, was uns dazu bringt, etwas zu verändern? Nein! Das wird durch Schuldgefühle ausgelöst. Schuld bringt Veränderungen voran, Scham lähmt. Schlimme Scham kann Menschen in die dunkelsten Ecken ihrer Seele bringen: Depression, Suizidgedanken oder Aggression. Ja. Unbewältigte Schamgefühle können auch aggressives Verhalten gegenüber anderen Menschen auslösen.

Scham bewirkt oft, dass Menschen Fehler nicht zugeben können.

Alleine sein mit der Scham und denken: Ich bin der einzige Mensch, dem so was passiert und der sich dann so fühlt, ist wirklich furchtbar.
„Das kann ich doch niemandem erzählen!“ ist meistens das Resultat von Scham.

Aber genau das hilft! Empathie, Zuhören, Geschichten teilen, Verständnis und Mitgefühl verringern Scham und können dieses hässliche und schmerzhafte Gefühl auflösen.

Wir allen wollen mit anderen Menschen verbunden sein, uns verletzlich zeigen, authentisch sein. Scham verhindert dies oft.

Aber Scham ist menschlich! Wir alle schämen uns für etwas! Wir sind nicht alleine mit diesem Gefühl.

Darüber sprechen hilft. Darüber sprechen zeigt auch: Wir sind menschlich und machen Fehler, wir allen verletzen andere Menschen und wurden schon verletzt. Wir alle haben unangenehme Dinge erlebt, Dinge getan, für die wir uns schämen. Offen mit Scham und Verletzlichkeit umzugehen, fördert ein besseres Miteinander und die Fähigkeit zu verzeihen. Vor allem sich selbst. Scham mit Selbstmitgefühl begegnen, ist wichtig. Allerdings sehr schwer und auch ich beherrsche das noch nicht ganz.

Dabei sind unsere Kinder besonders anfällig.

Dieses „Du hast etwas Schlechtes getan“ kann sehr leicht als „Du bist schlecht“ empfunden werden. Hier sollten wir Eltern sehr achtsam sein, wie wir kommunizieren und welche Botschaften bei den Kindern ankommen. Verbal und auch über Blicke und Gesten.

Ich habe zur Vorbereitung für diesen Artikel mit meinem Sohn folgendes Szenario durchgesprochen, was sicher irgendwann auch so passiert ist:

Er schmiss ein Glas um und ich reagierte vorschnell mit: „Kannst du nicht aufpassen?!“

Heute fragte ich ihn (mir war aber klar, was er antworten würde), wie er sich gefühlt hat:„Scheiße und ich habe mich geschämt.“

Das gleiche Szenario heute und jetzt mit meinem Wissen und mit Achtsamkeit, wie ich reagiere und kommuniziere: „Ist nicht schlimm, kann mal passieren. Lass uns das gemeinsam wegwischen. Das nächste Mal pass bitte ein wenig besser auf.“

Das ist für ein Kind vielleicht kurz peinlich, fördert Achtsamkeit und hinterlässt kein schlechtes Gefühl oder Bauchschmerzen. Mein Sohn bestätigte mir heute: „Mama, das fühlt sich viel besser an!“
Es ist ein Fehler, ein Missgeschick. Er schämt sich nicht.

Ein anderes Beispiel, aus meiner eigenen Kindheit: „Du bist so ungeschickt! Sei doch nicht immer so ungeschickt!“
Das sitzt: Ich bin ungeschickt. Das macht mich aus! Gerade bei Kindern geht das schnell in dieses Gefühl über. Scham als Nährboden für einen Angriff auf das Selbstwertgefühl.
Oder auch „Wieso machst du das so? Das geht aber anders! Was hast du dir dabei gedacht?“
Am Schlimmsten ist es noch, wenn Kinder nicht offen mit ihren Gefühlen umgehen dürfen und sich dann schämen: „Jetzt hör doch mal auf zu weinen. Das ist doch nicht so schlimm!“. Jemandem die Gefühle absprechen oder kleinreden, resultiert in Scham.

Auch in Schulen ist das ein wichtiges Thema.

Ich erinnere mich noch an ein Erlebnis, wofür ich mich heute noch schäme. Spanisch-Unterricht und erste Stunde. Ich sollte einen Text vorlesen. Vorher hatte ich noch nie Spanisch gesprochen. Die Reaktion des Lehrers? „Sehr schön! Und jetzt das Ganze nochmal und zwar auf Spanisch.“ Die Klasse lachte, ich nicht. Am liebsten wäre ich unter den Tisch gekrochen. So, oder so ähnlich passiert es ganz sicher vielen. Scham ist kein Motivator!

Ich wünsche mir sehr, dass wir alle sehen: Verletzlichkeit ist keine Schwäche, sondern Mut!

Fehler sind menschlich und Fehler machen uns nicht als Person aus. Scham den Nährboden entziehen und unsere Geschichten teilen. „Ich habe das auch erlebt. Ich verstehe das!“ Mehr Mitgefühl und Empathie im Umgang miteinander. Unseren Kindern das Gefühl geben, sie müssen sich nicht schämen: Wir lieben und akzeptieren sie bedingungslos, auch wenn ihr Verhalten gerade nicht ok ist.

Das schafft die Grundlagen für ein besseres Miteinander.

Und hier ist das Video von Brené Brown:

Eure mindfulsun

P.S. Von Béa: Über welches Scham-Erlebnis traut ihr euch, nicht zu sprechen? Würde es euch guttun, erstmal anonym das Erlebte und Gefühlte rauszulassen?

Schickt uns am besten eine PN über den Messenger: https://m.me/tollabea 

(übrigens, dann fragt euch das Ding, ob ihr News von uns erhalten wollt… Ein „Ja, geht klar, würde uns freuen!)

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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