Doppelbotschaften – Double Bind: „Alles OK!“ wenn nichts OK ist, kann dies Kindern seelische Wunden zufügen


Hat nicht jeder von uns schon mal eine Doppelbotschaft (Englisch: Double Bind) erhalten? Oder sogar rübergebracht? Warum diese Art der Kommunikation schädlich sein kann, gerade bei Kindern, hat unsere Kolumnistin mindfulsun hier für mich und hoffentlich auch für euch sehr wertvoll ausgeführt:

Doppelbotschaften haben bei mir Schaden angerichtet

Vorab: Dies ist kein Fachtext. Die widersprüchlichen Botschaften – worüber ich heute schreibe – haben bei mir Schaden angerichtet. Und ja, ich habe sie auch benutzt, weil ich es in meiner Kindheit so gelernt habe. Dieser Artikel ist eine Mischung aus Recherche, Eigenerleben und Erkenntnissen aus der Therapie.

Also los und das mit einem Beispiel:

„Es ist alles OK!“

Aus dem Mund eines anderen Menschen.
Klare Worte und doch dazu ein verkniffenes Gesicht oder ein eisiger Tonfall.
Mimik, Gestik, Tonfall widersprechen eindeutig dem, was gesagt wurde.

Zwei widersprüchliche Botschaften gleichzeitig = Doppelbotschaft (Double Bind)

Das Bauchgefühl signalisiert eindeutig: Nichts ist in Ordnung. Und nun? Kann ich nachfragen und sage vielleicht: „Ich spüre doch, das etwas nicht stimmt!“

Hier gibt es mehrere Möglichkeiten, was als Nächstes passiert: Vielleicht bekomme ich die gleiche Doppelbotschaft noch mal, vielleicht wird der andere Mensch dann wütend. Und wenn ich nichts sage? Dann wird mir vielleicht später ein Vorwurf gemacht: „Du hast doch gemerkt, etwas war nicht Ordnung. Scheinbar war es dir egal.“ Ganz schöne viele „vielleicht“ in dieser Situation.

Tue ich was, ist es falsch. Tue ich nichts, kann es auch falsch sein. Ich sitze in der Zwickmühle. Und oft genug fühlt es sich wie eine Falle an.

Denn nicht nur die Doppelbotschaft an sich ist sehr verwirrend, auch die Intention dahinter kann es sein. Dazu habe ich auf Twitter eine kleine Umfrage gemacht:

Warum alles OK sagen, wenn eben nichts OK  ist?

Die Antworten waren sehr unterschiedlich:
Ich möchte mich nicht verletzlich machen.
Ich werde sowieso nicht verstanden. Es spielt keine Rolle, ob ich etwas sage.
Es war auch von Unsicherheit die Rede.
Auch davon, mit Doppelbotschaften passiv-aggressiv einen Standpunkt zu verdeutlichen.

Ja, Doppelbotschaften können auch eine Strafe sein. Ein Mittel, jemanden zu beschuldigen, ohne es direkt auszusprechen.

Der hilflose oder auch vorsätzliche, verärgerte Versuch für ein: „Denk doch selbst nach, dann kommst du darauf.“
Beim Empfänger Verwirrung stiften, wenn ich eigentlich vielleicht sogar Klarheit möchte und meine Bedürfnisse kommunizieren.
Oder sie entstehen aus eigener innerer Ambivalenz: Ich weiß selbst nicht, was ich gerade möchte oder brauche.

Ein weiteres Beispiel aus meiner Kindheit:

Als ich etwas angestellt hatte und meine Mutter zu mir sagte: „Du kannst es mir ruhig sagen, es passiert nichts!“ Die Worte waren klar, die Stimme meiner Mutter und die Körperhaltung sagten etwas anderes. Ich hatte Angst! Bei mir wurde ein Fluchtreflex aktiviert. Ich spürte, wenn ich etwas sage, reagiert meine Mutter wütend. Wenn ich nichts sage, wird sie auch wütend. Zwickmühle! Egal was ich tat, es endete für mich mit Strafen.

Zwei Botschaften gleichzeitig zu vermitteln kann gerade für Kinder sehr schädlich sein.

Denn der Fluchtinstinkt wird natürlich davon ausgehebelt, dass ich ja nicht aus dem Nest fallen will. Die Bindung zu meinen Eltern ist stark und notwendig zum Überleben. Eigentlich hatte ich als Kind dann Angst vor dem Menschen, der mich beschützen sollte. Hier war es für mich unglaublich wichtig, mich sicher zu fühlen.

Double Bind! Hier gab es kein Entkommen.

Es gab weitaus drastischere „Double Binds“ in meiner Kindheit, über die ich hier nicht schreiben möchte. Das Resultat: Ich habe an meiner eigenen Wahrnehmung gezweifelt. Das zieht sich bis ins Erwachsenenalter. Selbstzweifel waren die Folge. Erst jetzt in der Traumatherapie lerne ich langsam, mit Doppelbotschaften umzugehen. Zum Umgang damit später in diesem Artikel.

Was sind nun also Doppelbotschaften, „Double Binds“?

Jemand drückt sich doppeldeutig aus, es werden zwei Botschaften gesendet. Der Empfänger weiß nicht, welche stimmt.
Genau wie: Gesagtes passt nicht zum Verhalten. Es wird etwas anderes getan.
Ich kann mich scheinbar auf nichts verlassen. Es bleibt stets ein Gefühl der Unsicherheit.
Egal wie ein Mensch dann handelt, kann es vom Sender als falsch ausgelegt werden.
Pest oder Cholera, eine Botschaft bleibt auf der Strecke! Welcher Botschaft vertraue ich?

Hier ausführlicher:

https://www.wikiwand.com/de/Doppelbotschaften

Glaube ich das, was ich höre oder das, was ich empfinde? Das Bauchgefühl passt nicht zu den gesagten Worten: Was wird gesagt? Was wird gemeint?
Bei Doppelbotschaften ist es dem Empfänger fast unmöglich, richtig zu handeln.

„A double bind is far worse than a straightforward damned-if-you-do, damned-if-you-don’t dilemma. It requires you to obey two mutually exclusive commands: Anything you do to fulfill one violates the other.“
Deborah Tannen

In diesem Video erklärt das die Psychotherapeutin Dami Charf für mich sehr verständlich und sie spricht auch über die Konsequenzen – gerade für Kinder:

Weitere Beispiele, nicht nur mit Kindern:

„Mach doch was du willst!“
Mögliche Botschaft: Mach bloß nicht, was du willst! Das hat Konsequenzen.
Es ist deine Entscheidung.

„Du brauchst mir nicht zu helfen! Ich schaffe das schon alleine, du hast eh was anderes zu tun.“
Wenn du mir nicht hilfst, bin ich sauer.

„Geh ruhig und mach dir eine schöne Zeit! Ich komme schon alleine klar.“
Entweder du bleibst oder du trägst die Konsequenzen.

Und das mit einem Tonfall vorgetragen, der was anderes sagt. Oder Mimik und Gestik passen nicht dazu.

Vielen von euch fallen jetzt bestimmt eigene Beispiele ein. Möglicherweise auch, wann ihr solche Doppelbotschaften selbst benutzt habt. Manchmal ist es auch sehr schwer, sie bewusst zu erkennen.

Wie gehe ich damit um? Es ist schwer! Doppelbotschaften können eben viele Gründe haben: Unsicherheit, Gedankenlosigkeit, sie werden als Machtinstrument benutzt.

Menschen können vielleicht ihre Bedürfnisse nicht erkennen oder klar äußern. Doppelbotschaften können in inneren Ambivalenzen des Senders begründet sein. Auch Nähe – Distanz / Bindungsprobleme sind möglich.
Ich lerne gerade, meinem Bauchgefühl zu vertrauen. Wie oft habe ich gehört: „Das habe ich so nicht gemeint!“ oder „Das hast du dir nur eingebildet!“. Mir wurde bei Doppelbotschaften suggeriert, mit meiner Wahrnehmung stimmt etwas nicht.

Eine Möglichkeit ist, auf emotionale Distanz zu gehen oder einen Teil der Doppelbotschaft zu ignorieren. Das hilft auch nur in diesem Moment. Kommen Doppelbotschaften häufiger in der Beziehung mit einem Menschen vor, hilft mir langfristig nur es anzusprechen: In die Metakommunikation gehen und in Ich-Botschaften die Widersprüche offenlegen. Ich zeige Grenzen auf und wenn das nicht hilft, halte ich mich von diesem Menschen fern.

Ich bin auch selbst achtsam dafür geworden, keine Doppelbotschaften mehr zu senden.
1. Klarheit über meine Bedürfnisse
2. Ich-Botschaften in der Kommunikation verwenden
3. Nicht das eine sagen und das andere wollen
4. Nicht das eine sagen und das andere tun

Klare Absicht und klare Kommunikation für ein respektvolles und wertschätzendes Miteinander ohne schädliche Interpretationsspielräume!

Ständigen Ambivalenzen durch Doppelbotschaften ausgeliefert sein, kann körperlich (ausgelöst durch den Stress) und seelisch krank machen. Und es kann bei Kindern wirklichen Schaden anrichten, der sich bis ins Erwachsenenalter zieht.

Eure mindfulsun

P.S. von Béa: Kennt ihr Doppelbotschaften? Wie seid ihr bisher mit widersprüchlichen Botschaften umgegangen? Kennt ihr dieses „Ist schon OK!“ oder „Mach, was du willst!“?
Ich bitte euch um respektvolle Kommentare, die die Erfahrungen unserer Autorin nicht in Frage stellen. Bleibt bitte bei euch!

PS von mindfulsun: Ich habe das Thema hier mit meinen eigenen Worten beschrieben. Natürlich habe ich mich auch dazu viel belesen. Wer sich auch ausführlicher mit Double Binds beschäftigen möchte, dem empfehle ich, sich mit der Doppelbindungstheorie zu beschäftigen. Und natürlich: Paul Watzlawick „Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien“.

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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4 Kommentare

Nicole
Antworten 3. Juli 2020

Ich kenne Doppelbotschaften nur aus dem Freundeskreis, da habe ich auch mitbekommen was es in der Kindheit mit meinem Freunden gemacht hat, wie unsicher die dann immer geworden sind.
ich selbst sage die Dinge immer so wie ich sie auch meine nicht nur meinem Mann gegenüber, sondern auch gerade bei meinen Kindern.
Um bei dem Beispiel zu bleiben: wenn du mir erzählst was passiert ist, bekommst du keinen Ärger....da halte ich mich daran, auch dann, wenn ich es wirklich schlimm finde was passiert ist, rede ich mit meinem Kind ruhig darüber und überlege mit ihm gemeinsam was getan werden kann um sich zum Beispiel zu entschuldigen...

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